16. 9. 1984
4. Die Ungekrönte
Da Wilhelmine Rietz, die Geliebte des preußischen Königs
Friedrich Wilhelm II., durch den Einfluß der Rosenkreuzer, einer
okkulten Vereinigung, nicht mehr länger im Hauptinteresse des Königs
steht, zieht sie sich nach dem Tod ihres kleinen Sohnes Alexander in ein
selbstgewähltes Exil nach Lichtenau zurück. Eines Tages besucht
sie dort die alternde Königin, die eigentlich ihre Rivalin sein sollte.
Aber sie verbündet sich mit der Geliebten ihres Mannes. Sie hofft,
dass mit Wilhelmines Hilfe der Einfluss von der nunmehr schon zweiten Gattin
Friedrich Wilhelms zur linken Hand gebrochen werden könnte, die zur
Zeit in der Schweiz ein Kind vom König erwartet. Wilhelmine folgt
dem Rat der Königin und fährt nach Frankreich. Dort ist Krieg,
und der König steht an der Front im Kampf gegen die französischen
Revolutionstruppen. Die Franzosen sind im Vormarsch. Mainz und Frankfurt
werden erobert. Der Rückschlag, der dem bald folgt, gibt dem König
die Gelegenheit, sich als der Befreier Frankfurts feiern zu lassen. In
dieser Situation trifft er seine Wilhelmine wieder, und es ist so, als
hätten sich die beiden nie getrennt. In Frankfurt führt er seine
Geliebte in die große Gesellschaft ein, und diese Stellung wird sie,
zur Freude der einen, zur ohnmächtigen Wut der anderen, bis zu seinem
Tod wahren. Nach dem Kriegsende nehmen die beiden ihre zärtliche Zweisamkeit
wieder auf. Aber der König ist nicht mehr der, der er war. Von einem
Feldzug nach Polen kommt er als alter und gebrochener Mann zurück.
Die ärztlichen Mittel haben ihre Wirkung verloren. Um Wilhelmines
Zukunft abzusichern, läßt der König sie in den Adelsstand
erheben. Sie wird Gräfin von Lichtenau. Noch eine letzte Genugtuung
verschafft er ihr: Er gibt ihr zu Ehren einen Empfang und zwingt alle,
auch seinen Sohn, daran teilzunehmen. Nach schwerem Todeskampf - Wilhelmine
hat ihn bis zum Schluss aufopfernd gepflegt - stirbt der König. Schlagartig
wendet sich das Blatt. Der neue König Friedrich Wilhelm III. lässt
gegen sie einen großen Prozess führen, der freilich wenig Greifbares
gegen die Angeklagte zu Tage fördert. Dennoch werden ihre Besitztümer
konfisziert und sie auf die Festung Glogau verbannt. Nach vorübergehendem
Aufheben dieser Entscheidung durch Napoleon, der mit Wilhelmine während
seiner Besetzung Deutschlands ein langes Gespräch führt, verbringt
sie an der Seite ihrer Vertrauten Minettchen in einem kleinen Haus am Heiligensee
einen stillen und beschaulichen Lebensabend. Eine letzte Freude bringt
ihr der Besuch des jungen Kronprinzen, des Enkels "ihres" Königs,
der die Maßnahmen seines Vaters gegen sie nicht gutheißen kann.
Kurze Zeit später ist Wilhelmines Leben, die bis zum Schluss das Gefühl
hat, nicht umsonst gelebt zu haben, zu Ende.
Bearbeitet am 20. Januar 2008