16. 8. 2004
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5. Trauma Versailles
"Das Werk,
das uns die Feinde übergaben, ist, so weit es die Franzosen diktiert
haben, ein Monument pathologischer Angst und pathologischen Hasses, so
weit es die Angelsachsen diktiert haben, ein Werk raffinierter und brutaler
Kapitalisten-Politik. Das Schamlose an ihm finde ich nicht das Niedertreten
eines tapferen Gegners, sondern darin, dass von Anfang bis Ende alle diese
erniedrigenden Bedingungen unter dem Gesichtspunkt der gerechten Strafe
gestellt werden, während sie ihrem Inhalt nach jede Scham vor dem
Begriff der Gerechtigkeit vermissen lassen."
So der Generalkommissar der deutschen Friedensdelegation Walter Simons
in einem Brief an seine Frau über den Entwurf des Friedensvertrages
von Versailles. Und damit beschreibt er nicht nur seine persönliche
Stimmungslage, sondern die der meisten Deutschen. Sie empfinden den Vertrag
als Schmach, als Schande, als Diktat, als ungerecht und unerfüllbar.
Der Versailler Vertrag kann den erhofften Frieden nicht wirklich schaffen,
sondern führt dazu, dass der Krieg im Frieden zumindest in Deutschland
andauert: Gewalttätige Auseinandersetzungen im Inneren, Putschversuche
gegen die Republik, politische Morde und die Konfrontation mit den ehemaligen
Kriegsgegnern kennzeichnen die ersten Jahre der Weimarer Republik.
Noch zu Jahresbeginn 1918 hatten die deutschen Militärs, Paul
von Hindenburg und Erich Ludendorff, alles auf eine Karte gesetzt und in
der Hoffnung auf den endgültigen Sieg im Westen die "Offensive Michael"
gestartet. Als aber die Alliierten unter dem gemeinsamen Oberbefehlshaber
Ferdinand Foch zum Gegenschlag ausholen, ist die deutsche Niederlage nicht
mehr abzuwenden. Hindenburg und Ludendorff gelingt es, die Verantwortung
dafür der Regierung in Berlin anzulasten. Es sind zivile Politiker,
wie der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger, die in Compiègne
die Waffenstillstandsvereinbarung unterschreiben und damit in den Augen
vieler Deutscher die militärische Niederlage endgültig besiegeln.
Eine schwere Bürde für die spätere Weimarer Republik: die
Dolchstoßlegende wird später behaupten, die Militärs seien
"im Felde unbesiegt" geblieben und nur durch den "Dolchstoß" der
Revolutionäre im Innern sei Deutschland besiegt worden. Der Versailler
Friedensvertrag schließlich gibt den Deutschen die alleinige Schuld
am Krieg, verpflichtet sie zu hohen Reparationszahlungen und entzieht ihnen
große Gebiete im Osten. Damit ist der Traum von der deutschen Großmachtstellung
in Europa ausgeträumt. Aus der Enttäuschung über die Niederlage
wird Empörung und später eine breite Unterstützung für
Rache und Revanche. In Freikorps sammeln sich enttäuschte Offiziere
und Soldaten, um gegen diesen Frieden und die neue Regierung zu kämpfen.
Straßenkämpfe, Putschversuche, politische Morde schaffen ein
Klima, in dem die neue Republik nur schwer gedeihen kann. Es herrscht Krieg
im Innern.
Auch der Kampf mit Frankreich flammt wieder auf. Als Deutschland die
geforderten Reparationsleistungen nicht bezahlen kann, marschieren französische
Truppen ins Ruhrgebiet ein. Der passive Widerstand, ausgerufen von der
Reichsregierung, bricht unter dem französischen Kriegsrecht zusammen.
Erst nach dem Ende der Ruhrbesetzung beginnt eine friedlichere Phase, eine
Zeit des Ausgleichs zwischen Deutschland und Frankreich und eine gewisse
innenpolitische Konsolidierung. Aber schon wenige Jahre später wird
es wieder Krieg geben und Hitler wird ihn als Revanche für den "Schmachfrieden"
von Versailles rechtfertigen.
"Trauma Versailles" erzählt die wechselhafte Geschichte der Jahre
1918 bis 1923, vom Weg in die militärische Niederlage bis zum Ende
der Ruhrbesetzung. Zeitzeugen erinnern sich an ihre Erlebnisse während
des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren. Experten schildern die
Zeit aus Sicht der politischen und militärischen Protagonisten in
beiden Ländern. Mit Hilfe von historischem Archivmaterial und Neudrehs
an den Originalschauplätzen zeichnet der Film ein plastisches Bild
der dramatischen Ereignisse am Ende des Ersten Weltkriegs.
Bearbeitet am 20. August 2004