2. 12. 2005
5. Winterstille
"Bei Flut werden die Kinder geboren, bei Ebbe sterben die Alten auf
den Halligen", sagt Hallighebamme Oma Kühn. Ihre Schwester ist kurz
vor Weihnachten gestorben. Jetzt ist Oma Kühn die Älteste auf
der Hallig Oland. Marius ist für die Winterferien nach Oland gekommen
und ist unglücklich. Weder im Internat noch auf der Hallig fühlt
er sich nun richtig zu Hause. Am Heiligen Abend sind Britta, Honke und
die Kinder allein. Ausgerechnet heute kam mit der Flut so viel Wasser,
dass die Hallig ab nachmittags überschwemmt war. Sie können weder
die Halligkirche noch die Nachbarn erreichen. Den Kindern macht das wenig
aus. Denn mit der letzten Fähre sind die Geschenke von den Großeltern
vom Festland gekommen. Ende Januar fällt das Barometer stark und ein
Schneesturm fegt über die Halligen. Wenn der Sturm jetzt noch die
Eisschollen über den Lorendamm schiebt, bleiben die Menschen für
Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Postbote Fiede Nissen wagt
sich trotz des heftigen Schneefalls der vergangenen Nacht über den
Damm aufs Festland und fährt sich mit der Motorlore fest. Erst als
auf dem Festland die schwere Lok vom Küstenschutz mit einem Schneeschieber
startet, wird der Schienendamm nach Oland und Langeness wieder befahrbar.
Frieda Kühn wurde vor 90 Jahren auf Oland geboren. Sie möchte
hier aber nicht sterben. Morgen wird sie ihre Hallig für immer verlassen.
Auf dem Festland hat sie einen Platz in einem Altersheim bekommen. Michael
hat es geschafft, ein paar Tage vor dem Biikebrennen nach Oland zu kommen.
Er ist zur Freude von Tina jetzt häufiger an den Wochenenden auf der
Hallig. Sie haben beschlossen, im nächsten Sommer zu heiraten. Auch
wenn sie noch immer nicht wissen, wo sie einmal zusammenleben werden.
Bild: Arte
Bearbeitet am 13. Dezember 2005