7. 4. 2009
4. Dezember 1989
Anfang Dezember 1989 herrscht Hochbetrieb in den Stasi-Dienststellen
der untergehenden Republik. Es gilt, möglichst schnell hochbrisantes
Aktenmaterial zu vernichten. Die Öfen und Reißwölfe laufen
rund um die Uhr. So auch in der örtlichen MfS-Bezirksverwaltung in
Halle, wo sich ein Diplom-Geologe der Aktenvernichtung entgegenstellt.
"Wir haben die Reißwölfe stillgelegt." In Salzwedel kommt es
zu einem dramatischen Gegenüber. Auch hier will ein Lehrer verhindern,
dass Akten verbrannt oder vernichtet werden. Als er sich mit Mitstreitern
aus dem Bürgerkomitee Zutritt verschaffen will, hält man ihm
eine Pistole an den Kopf. Während der Pause in ihrem kleinen Aufenthaltsraum
hören Busfahrer im thüringischen Suhl zufällig im Radio,
dass jeder das Recht besitzt, Einsicht in seine eigene Stasi-Akte zu nehmen.
Spontan fahren sie zur örtlichen Stasibehörde und müssen
mit ansehen, wie im Hof Akten auf einen LKW zum Abtransport geladen werden.
Sind das Akten, die vernichtet werden sollen? Die Busfahrer entscheiden
blitzschnell, das Gebäude mit ihren Bussen zu umstellen - und riegeln
damit die Stasibehörde ab. - Es ist Silvester. Ein turbulentes Jahr
geht zu Ende. Erstmals seit 28 Jahren feiern Ost und West zusammen, nicht
nur am Brandenburger Tor. In einer NVA-Kaserne im brandenburgischen Beelitz
jedoch wird nicht gefeiert. Die aktuellen Entwicklungen werden hier wie
in der gesamten Armee von der Führung völlig ignoriert. Spontan
schließen sich an diesem Tag einige Wehrpflichtige zu einer Demonstration
zusammen. Sie trinken sich Mut an und versammeln sich vor dem Kasernentor.
"Wir waren verzweifelt genug um zu sagen: Wir nehmen jede Chance wahr."
Was vorher undenkbar war, tritt nun ein: die Soldaten verweigern den Dienst.
Bearbeitet am 24. April 2009