Die begleitende Dokumentation zum dreiteiligen Fernsehfilm "Ku'damm
56" richtet den Blick auf Lebenswelten der 50er Jahre. Mit realen persönlichen
Schicksalen, analog zum Film, hält die Dokumentation der Gesellschaft
Mitte der 50er Jahre den Spiegel vor, als der schöne Schein der Aufbauzeit
vielerorts manch finstere Schatten der Vergangenheit überstrahlte.
Zehn Jahre sind vergangen seit dem Krieg, den NS-Verbrechen, der braunen
Diktatur. Und doch ist die Welt inzwischen eine völlig andere, eine
neu geordnete, geteilte. Der Riss geht mitten durch Europa. In Berlin ist
die Spaltung besonders spürbar.
Der Fernsehfilm "Ku'damm 56" fängt die Atmosphäre jener Zeit
ein, lässt die Zuschauer mit dem Schicksal einer Familie in die Jahre
der Gegensätze und des neuen Aufbruchs eintauchen. Dass die Lebensgefühle,
Zerwürfnisse, aber auch Hoffnungen der Film-Familie Schöllack
keineswegs nur der Fantasie der Autoren entsprungen sind, zeigt Heike Nelsen?Minkenberg
in ihrer begleitenden Dokumentation.
Sie erzählt die Lebensgeschichte von Menschen, deren Werdegang
eng mit diesen Jahren verknüpft ist. Wie Rolf Eden, Playboy und Party-Legende
des alten West-Berlin. Als Kind mit seinen Eltern vor der Judenverfolgung
nach Palästina geflohen, kehrt er 1956 nach Berlin zurück: Ecke
Ku'damm, Nestor-Straße. Dort eröffnet er seinen ersten Club,
den bald legendären "Eden Saloon".
Es ist eine Zeit mit einem neuen Klang, die Vertonung einer neuen Jugendkultur,
des Rock 'n' Roll. In Edens Club, der "Badewanne", wird er Abend für
Abend live gespielt und gelebt. Nach den Hits von Elvis Presley und Bill
Haley rocken die sogenannten "Halbstarken" auf der Tanzfläche. Stammgast
war damals Roswitha Todt, die in der Dokumentation von ihren "wilden" Jahren
berichtet.
Westberlin war aber auch Teil der alten Bundesrepublik. Nach deren
Gesetzen war gelebte Homosexualität weiterhin strafbar, galt als Krankheit,
wenngleich mit den "richtigen" Mitteln heilbar. Wie der angehende Staatsanwalt
Wolfgang von Boost im Fernsehspiel, musste auch Manfred Bruns seine Homosexualität
verleugnen. Im Interview erinnert sich der mittlerweile pensionierte Bundesrichter,
wie er über Jahrzehnte seine sexuelle Orientierung konsequent geheim
hielt, um seine Karriere nicht zu gefährden.
In "Ku'damm 56" arbeitet Eva Schöllack als Krankenschwester in
einer Privatklinik. Immer wieder werden dort psychisch Kranke mit "Elektroschocks"
behandelt. Der Psychiater Professor Heinz Häfner praktizierte seit
1951 und verbindet noch heute sehr beklemmende Erinnerungen mit jener Zeit,
zu der die "Elektrokrampftherapie" als eine Art Allheilmittel gegen angebliche
und tatsächliche psychische Erkrankungen galt. Unzählige Patienten
wurden so gequält, bis die ersten wirklich wirksamen Medikamente ihren
Weg auch nach Europa fanden. Es sind Erfahrungen die den Kontrast bilden
zu den bunten Bildern jener "Wirtschaftswunder"-Zeit.
Bearbeitet am 21. März 2016