Obrigkeiten aufgepasst: Stellt euch que(e)r
Der achte CSD in Münster 2016

Am letzten Samstag im August war es wieder so weit. Münsters anders- und durchaus nicht mehr unartiges Volk rottete sich wieder zusammen, um den Rest der Bevölkerung dezent und lautstark darauf hinzuweisen, dass es "uns" noch gibt. Vor dem Mittagessen eine Demonstration, nach dem Mittagessen (auch bei Schwulen wie mir bestimmt der Magen das Sein!) folgte die Präsentation der Gruppen mit Bühnenprogramm im Rathausinnenhof. Schaute der durchschnittliche Münsteraner 1972 mit einer Mischung aus Staunen, Entsetzen und Gleichgültigkeit auf die erste Demonstration für mehr Minderheitenrechte, so gehören diese Veranstaltungen heute zum ... Mainstream. Schirmherr war folglich OB Lewe, der sich von seinem Stellvertreter Joksch mit einem Grußwort vertreten ließ. Das hätte es zu Willys Zeiten nicht gegeben.

Dieses Mal sprang mir ein Truppe ins Auge, von denen ich natürlich wusste, dass es sie gibt: die Transen waren da. Oder wie immer jene Menschen sich nennen (1), die sich in ihrem angeborenen Geschlecht falsch fühlen. Als Frau geboren, aber gefühlt Mann. Das ist sicherlich kein leichter Prozess, aber hier die gute Nachricht: man kann das auf die Reihe bekommen und sein Geschlecht ändern. Da die Lesben und Schwulen es vorgemacht haben, gehen diese Leute "unseren" Weg, organisieren sich, suchen und finden Selbst-Hilfe und machen der Politik Druck, um auch gesetzlich was zu bewegen. Da mag ich nicht daran denken, wie eine Frau, die sich als Mann fühlte, vor hundert oder zweihundert Jahren lebte: Ehe, Kloster, Jungfrau. Mehr gab es da nicht. Das wäre eine schöne Aufgabe für die Zunft der Historiker. Die Obrigkeiten werden solchen Personen schon ihren Weg gewiesen haben.

Indes dämmert es den Obrigkeiten heute, dass sich die Menschen nicht von ihnen sagen lassen wollen, wie sie zu leben haben. Das Individuum bestimmt, wie es leben will, und so lange nicht in die Rechte anderer eingegriffen wird, hat der Staat die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass der Einzelne so leben kann: Schwule, Lesben, Bisexuelle, Keuschlinge, Transen, Queere, Inzestiöse ... Gut, Letztere dürfen noch nicht.

Das bleibt nicht ohne Widerstand. Da die politische und staatliche Obrigkeit vom Volk gewählt und weggewählt wird, haben sich die Verhältnisse auf staatlicher und rechtlicher Ebene in Deutschland geändert. Langsam zwar, aber erfolgreich. Das passt nicht jedem. Ich muss nicht nach Weißrussland, Polen, Ungarn oder Russland schauen, um zu sehen, wie Machthaber Minderheiten als Sündenböcke schikanieren, um an der Macht zu bleiben. Im deutschen Vaterland rotten sich Rechte unter der Fahne der AfD zusammen. Was da geboten wird, ist in der Tat eine Alternative. Diese Figuren erdreisten sich, ihre Mitwerber als Altparteien zu titulieren. Allein was von ihnen als Schimpfwort gedacht ist, ist tatsächlich eine EHRE! Nehme ich die SPD: seit 1863 betreibt sie Politik, über die man sich durchaus streiten kann. Doch ihre Mitbewerber aus der Zeit Bismarcks, die Deutschkonservative oder die Freikonservative Partei, die gibt es nicht mehr. Weshalb? Weil dieses Pack Politik betrieben hat gegen das Volk. Gegen Minderheiten wie Dänen, Polen, Franzosen, Katholiken, Juden. Wohin das geführt hat, ist sattsam bekannt. Heute hat der gewöhnliche Deutschnationale natürlich nichts mehr gegen Dänen, Polen, Franzosen, Katholiken, Juden ... na gut, gegen Juden schon. Dafür hat man etwas gegen Syrer und Muslime. Die Argumente sind uralt und schon unter Bismarck von der Altpartei widerlegt worden. Dass sich die Herren von rechts über die Lügenpresse empören, gehört gehört zum Spiel, ebenso wie das versuchte Fälschen eines Protokolls im Landtag von Sachsen-Anhalt. Versteht sich, dass diese Patrioten massiv Front macht gegen Schwule und Lesben. Und was es sonst noch gibt.

Genug gekotzt.

Der diesjährige CSD hat nicht zuletzt wegen des sonnigen Wetters Spaß gemacht. So wurden neben vielen Bekannten und Freunden auch Vertreter der Altparteien gesichtet. Christoph Strässer war da, Robert von Olberg wurde am Stand von Tracks gesichtet und die Schwusos erklärten mich zur CSD-Prinzessin. Folglich bin ich zur FDP geflüchtet, die mir gleich einen Mitgliedsantrag für die Jungen Liberalen kredenzen wollten; nun weiß ich, weswegen die Partei nicht mehr im Bundestag sitzt, und wenn ich ihrem Standmann Mut zusprechen muss für die Zukunft, dann muss ich etwas falsch gemacht haben. Die Linke war ganz pfiffig und warb mit einem frechen Spruch der ersten Schwulendemo 1972. Da zeigte eine alte Partei Geschichtsbewusstsein, die in den ersten siebzig Jahren ihrer Existenz alles, aber auch restlos alles falsch gemacht hat. Indes freut man sich nicht nur im Himmel über reuige Sünder.

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(1) Diesen Personenkreis nennt man Menschen.

Bearbeitet am 28. August 2016
(C) Norbert Korfmacher