Und läuft, und läuft, und läuft
"Unsere kleine Farm" auf SAT 1

Zu Weihnachten 2022 plagte die Sendergewaltigen von SAT 1 ein Problem. Sie wussten nicht, was sie ihrem Publikum zeigen sollten. Dieses Problem plagt den Sender indes nicht nur zu Weihnachten: neue Formate ziehen auf dem Sender nicht, dafür zeigt er immer wieder gerne "Harry Potter", und das bringt offensichtlich die notwendigen Quoten, um mit Werbung Geld zu machen.

Nun ist Weihnachten ein Familienfest, und so erinnerten sich die Gewaltigen des TV-Konzerns an die gute, alte Zeit, als es SAT 1 eben noch nicht gab. Damals zeigte die ARD an den Wochenenden gerne Episoden der US-amerikanischen Serie "Unsere kleine Farm". Diese Familienserie basierte auf den Kindheitserinnerungen von Laura Ingalls-Wilder. Produziert wurde das Ganza von Michael Landon, den die Welt zuvor als ewig jungen Little Joe Cartwright in "Bonanza" kennen gelernt hatte. Die Serie wurde seit 1974 mehrere Jahre produziert, mit fortschreitenden Jahren entfernte man sich von der Vorlage.

Der Inhalt ist schnell erzählt. Charles und Caroline Ingalls haben drei Töchter, ziehen in ein kleines Kaff irgendwo in der Prärie und führen dort ein gottesfürchtiges Leben in Armut, gesegnet mit harter Arbeit. Erzählt werden die Geschichten aus der Sicht der mittleren Tochter Laura, die in der Serie dadurch auffällt, dass sie permanent läuft und läuft und läuft. Sind die Töchter anfangs noch Kinder, reifen zwei von ihnen zu Teenagern und zack: mit 16 Jahren (in Worten: sechzehn) kommt von irgendwoher ein junger Mann her, in den sie sich verlieben, prompt heiraten und dann gevögelt und schwanger werden. Heute hätten sie damit Probleme mit der deutschen Justiz, im 19. Jahrhundert war das anders, besonders in der Prärie der USA. Das Gegenbild zu den gottesfürchtigen Ingalls ist die Frau des Krämers, Harriet Oleson, gespielt von Katherine McGregor. Diese findet natürlich auch ihren Weg sonntags in die Kirche, die zugleich als Schule dient, aber sie lässt gerne durchblicken, dass ihre Familie mehr Geld hat als alle anderen. Ohne Harriet Oleson wäre die Serie nur langweilig, so meine Meinung seit den achtziger Jahren als ich die Serie mit Wonne gesehen habe. Später vergrößert sich die Familie, Kinder werden adoptiert, weil Teenie-Mädchen im Bett eines stolzen jungen Mannes nur begrenzt anständig sind; es wird, gelitten, gelacht und gestorben. Am Ende fliegt das Kaff, "Walnut Grove", in die Luft und Ruhe kehrt ein in die Prärie und die Fernsehwelt.

So weit, so gut. Oder eben so schlecht. Die Serie wurde zuletzt auf einem Schrummelkanal gesendet, SAT 1 Gold. Was an diesem Sender Gold sein soll, hat sich mir als "TV-Archäologen" nie erschlossen. SAT 1 nun hievte die Serie in das Weihnachtsprogramm und zeigte samstags von früh morgens bis gegen 20 Uhr Folgen dieses Heulers. Zu aller Überraschung fand das sein Publikum, so dass SAT 1 die ganze Serie durchnudelte, und zwar in bester HD-Auflösung: so gut hatte ich Harriet Oleson noch nie gesehen. Die letzten Folgen liefen am 20. Mai, anschließend starte SAT 1 sein Glück mit "Baywatch", auch ursprünglich eine Serie in der ARD. Ich hätte den Bonzen ja "Die Waltons" empfohlen, aber mich fragt keiner.

Was will uns (oder besser: mir) das alles sagen? Zunächst können die Serien der guten alten Fernsehzeit so schlecht nicht sein, wenn man auf einem großen Sender (das unterstelle ich jetzt mal) wie SAT 1 über mehrere Stunden mit so einem Kaugummi Quoten und Geld machen kann, denn offenbar wollen die Leut' das gerne sehen. Schließlich ist es eine Bankrotterklärung für die heutige Fernsehwelt: so gut sind die hochgelobten Edelprodukte der Streamingwelt dann wohl doch nicht, wenn Charles Ingalls auf seine gottesfürchtige Art gegen sie bestehen kann.

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Bearbeitet am 21. Mai 2023