Wozu bamby?
Evermanns große Konkurrenz
Thomas Hruska & Jovan Evermann: Der Neue Serien-Guide. Das Lexikon
aller Serien im deutschen Fernsehen von den Anfängen bis heute, 4
Bände, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag: Berlin 2004.
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Gelegentlich überkommt es mich und dann kratzt die Frage an mir: Wozu
mache ich eigentlich eine Sammlung mit Episodenführern deutscher (und
auch einiger ausländischer) TV-Serien, wenn es Jovan Evermanns üppiges
Nachschlagewerk über alle Serien im deutschen Fernsehen gibt? Wozu,
wozu, wozu?
Weil Evermann zwar gut ist, aber er mich nicht wirklich befriedigt
(was umgekehrt viele Nutzer von bamby wohl auch über meine Arbeit
sagen :-).
Fünf Jahre nach der legendären vierbändigen gelben Ausgabe
"Der Serien-Guide" folgte 2004 "Der neue Serien-Guide", diesmal im Format
kleiner, aber dafür stabiler durch einen festen Einband und mit dem
Anspruch, alle Serien zu erfassen, die je im deutschen Fernsehen gelaufen
sind.
Evermann stellt keine theoretischen Überlegungen über Fernsehserien
an. Seine Kriterien sind formaler Natur: mindestens fünf Folgen (was
man als internationalen Standart betrachten darf), mindestens 20 bis 25
Minuten Länge, mindestens ein "echter" Schauspieler. Grauzonen zu
Doku-Soaps werden nicht erwähnt, Trick- und Puppenfilme fallen damit
durch den Rost.
Evermann kommt schnell zur Sache. Eine Serie wird mit dem geläufigen
deutschen Titel erfasst, alternative Titel werden ebenfalls angegeben.
Es folgt Herrstellungsland, Genre, Produktionsbeginn, Zahl der Episoden
und eine Übersicht über die Daten der Erstausstrahlung und ihre
Wiederholungen nebst Sendern. Es gibt einen Überblick über die
Darsteller und ihre Rollen sowie über Gastdarsteller, eine Auflistung
aller deutschen Episodentitel und i.d.R. auch die ausländischen Titel,
möglichst in der richtigen Reihenfolge. Abgerundet wird das Ganze
von einer Inhaltsangabe, gelegentlich werden hier Besonderheiten zu Serien
erzählt, Schauspieler-Schicksale, besondere Höhepunkte oder der
"historische" Wert einer Serie (Dallas etwa!).
Was Evermann da zusammengetragen hat, sucht seinesgleichen. Jeder,
der Informationen zu Fernsehserien sucht, ist zwingend auf dieses vierbändige
Nachschlagewerk angewiesen, und er ist auch bei Serien gut bedient, über
die andere sehr viel genauer informieren; das gilt erst recht für
die längst vergessenen Streifen der deutschen Fernsehunterhaltung.
Man findet Informationen zu Serien, die heute keine Sau mehr kennt. Und
wer etwas darüber wissen will, musste sich früher erst mit den
Sendern ins Benehmen setzen, um die Sendedaten zu eruieren und danach musste
er alte Programmzeitschriften auftreiben und die spärlichen Informationen
zusammentragen. Oder anders: Man konnte es gleich vergessen. Diese Lücke
füllt Evermann.
Das schließt Kritik nicht aus.
Der Anspruch, alle Fernsehserien zu erfassen, wurde verfehlt. Ich hatte
die kühne Hoffnung, dass Evermanns üppiges Opus mir bei den Problemfällen
meiner Arbeit helfen würde. Vielfach Fehlanzeige. "Fritz und Franz
als Wochenschau-Reporter" sucht der geneigte Leser hier vergeblich, das
Pferdchen Poly hoppelt bei Evermann nicht durch die Seiten, der Skandal
"Hei wie Tip Top" bleibt unerwähnt, "Mato, der Indianer" ist nicht
erfasst. Und auch Peter René Körners wunderbares Spiel mit
dem Kasperle wurde nicht verwewigt, obwohl Körner nicht hölzern
daherkam. Kinder- und Jugendserien, die in den sechziger Jahren in der
ARD liefen, sind Evermanns Achillesverse. Dafür hat niemand mehr Verständnis
als ich, denn auch mich trieb (und treibt) manche Sumpfblume der ARD zur
schieren Verzweifelung, da der Sender lange brauchte bis zur Erkenntnis,
dass Serien feste Sendetermine benötigen. Diese Erkenntnis setzte
zuerst das ZDF konsequent seit seiner Gründung um, die alte Tante
ARD trudelte gemächlich hinterher, zu meinem Verdruss heute (und sicherlich
zum Verdruss der Zuschauer in den sechziger Jahren). Unpopuläres Beispiel:
für 13 Folgen "Bonanza" brauchte die ARD von Oktober 1962 bis April
1965 zweieinhalb Jahre.
Bei der Serie "Planet der Affen" erwähnt Evermann die fünf
Spielfilme und nennt die Erstausstrahlung im ZDF, bei "Don Camillo" unterbleibt
ein Hinweis auf die fünf Filme mit Fernandel.
Überflüssig ist die Aufzählung zahlreicher Gastschauspieler,
die nur für eine oder zwei Folgen in einer Serie mitwirkten, zumal
Evermann solchen Personen keine Rollen zuweist, was er bei den Hauptdarstellern
natürlich macht. Diese Aufzählung ist auch deshalb sinnlos, weil
den vier Bänden das Wichtigste fehlt: ein Personen-Index.
Darf ich zum Schluss ganz pingelig werden? Einzelkritik verbietet sich
zwar bei dem Umfang, aber wenige Fehler, die ich bemerkt habe, sollen erwähnt
werden: bei den "Schilfpiraten" fehlen die Episodentitel, bei dem zweiten
Aufguss der "Höhlenkindern" von 1984 wurden die Episodentitel der
deutschen Verfilmung von 1962 genommen, "Eine Frau in Venedig" lief ab
Oktober 1987 auf WDR III, nicht jedoch in der ARD, der "Don Quichotte",
den das Fernsehen der DDR 1969 ausstrahlte, war der umgeschnittene Vierteiler
mit Josef Meinrad, den das ZDF 1965 zeigte ... Schluss, das wird mir zu
dumm.
Fazit: Das ist für jeden Fernsehfreak eine lohnende Investition,
das Blättern in dem vierbändigen Werk weckt Erinnerungen an verflossene
TV-Highlights und TV-Tiefen.
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Bearbeitet am 14. September 2004
(C) des Textes: Norbert Korfmacher