Joanne K. Rowling: Harry Potter und der Orden des Phoenix. Aus dem Englischen von Klaus Fritz, Hamburg 2003.
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Ein roter Zug, der Schüler transportiert, ein gewaltiges Schulgebäude,
umgeben von einem dichten Wald, ein Gewässer, Lehrer in merkwürdigen
Kutten und Kostümen, Intrigen, Freundschaft, Disziplin, Spaß
und Leid: das kennt der Verfasser dieser Zeilen aus eigener Anschauung,
der Rest der Menschheit verbindet indes damit die Geschichte um Harry Potter,
der das Zauberer-Internat in Hogwarts besucht.
"Harry Potter und der Orden des Phoenix" ist der fünfte Band der
auf sieben Bände angelegten Reihe von Joanne K. Rowling. Er ist zugleich
der bisher dickste und leider auch der schwächste Band.
Es beginnt alles wie gewohnt und vom Leser erwartet: Harry schmachtet
bei seiner Tante, seinem Onkel und ihrem verfressenen Sohn, die den Jungen
nach der Ermordung seiner Eltern unwillig aufgenommen haben. Hier sollte
der Junge eigentlich sicher sein vor finsteren Gestalten aus der Zauberer-Unterwelt,
doch überraschend setzen ihm Dementoren zu, die Harry nur durch einen
verbotenen Zaubertrick verjagen kann. Das aber bringt ihm Ärger mit
dem Zaubereiministerium ein. Zwar haut ihn Schulleiter Dumbledore da wieder
raus, aber Harry wird auch klar: das Ministerium will ihm die Geschichte
von Voldemorts Rückkehr nicht glauben.
Zurück im Internat Hogwarts muss Harry feststellen, dass sich
hier das Klima verändert hat. Das Ministerium hat Dumbledor eine Aufpasserin
vor die Nase gesetzt, die sich im Verlauf der Geschichte zur Großinquisitorin
aufschwingt und Schulleiterin wird. Sie ziert sich auch gar nicht, Harry
zur Strafe für Widerspruch zu foltern. Und als sie ihren Vorgänger
vertrieben hat, gestattet sie dem "Hausmeister" Filch, renitente Schüler
fortan auszupeitschen.
Die Konflikte an der Schule nehmen zu, doch Harry findet auch Verbündete,
die sich mit ihm zum Kampf gegen den "Dunklen Lord" rüsten. Ebenso
schart Dumbledore alte Getreue um sich, den "Orden des Phönix", zu
dem auch Harrys Pate Sirius Black gehört. Voldemort gelingt es, Harry
in eine Falle zu locken, weil er den Jungen benötigt, um den Inhalt
einer Prophezeiung zu erfahren. In der Abwehrschlacht schlägt sich
Harry tapfer, am Ende ist aber der Tod seines Paten zu beklagen. Dumbledore
nimmt die Schuld des tragischen Ereignisses auf sich, weil er Harry den
Inhalt der Prophezeiung verschwiegen hat. Immerhin schwenkt das Zaubereiministerium
auf Dumbledores Linie ein und gibt zu, die Situation falsch eingeschätzt
zu haben. Trauernd kehrt Harry zu seiner Tante zurück.
Was lange währt, wird gut. So heißt es im Volksmund, und
wer würde der vox populi schon widersprechen? Der Inhalt der
Geschichte, der hier in drei Absätzen gerafft wiedergegeben wurde,
wird von der Autorin auf über eintausend Seiten ausgewalzt. Wenn ich
ehrlich bin: Maximal 700 Seiten hätten gereicht. Gleichwohl: wenn
der Band auch Längen hat, Langeweile kommt nicht auf, weil Rowling
erzählen kann. Sie ist ein Glücksfall für die Literatur,
denn sie hat ein eigenes literarisches Universum geschaffen, welches sich
ohne die heute üblichen PR-Touren beim lesenden Muggelvolk durchgesetzt
hat und die Phantasie vieler Menschen belebt. Hier greift eins ins andere,
der fünfte Band ist also unverständlich ohne seine vier Vorgänger.
Und so erfreut man sich an den vielen Kleinigkeiten, die die Autorin mal
nebensächlich und mal mit größerem Augenmerk beschreibt.
Der Humor kommt nicht zu kurz, ebenso wenig wie die Spannung, denn am Ende
gibt es wieder einen furiosen Kampf mit dem Bösen.
Löblich: wer alle Bücher kennt, der merkt die Veränderung,
die Harry erlebt. Allerdings hält sich die Veränderung in Grenzen:
er hängt immer noch mit denselben schrägen Vögeln rum wie
im ersten Band, sein Verhältnis zu Lehrer Snape bleibt mies (umgekehrt
gilt das indes auch), aber immerhin findet er Gefallen an einem Mädchen,
auch wenn es nur zu einem ... reicht und die Sache am Ende an seinem Ungeschick
scheitert.
Dabei bleibt auch der fünfte Band der "Harry-Potter"-Geschichten
im Kern eine Internatsgeschichte.
PS: Dankbar bin ich als einer der wenigen Liechtenstein-Historiker auf Gottes schöner Welt über ein bis heute unbekanntes Detail zur liechtensteinischen Landesgeschichte, aber ich konnte es mir schon denken: Natürlich hat sich Liechtenstein geweigert, der Internationalen Zauberervereinigung beizutreten wegen irgendwelcher Bergtrolle, und natürlich konnte Lord Voldemort in Harrys Bewusstsein eindringen, als der in einer Klausur eben dieses Thema um das bockbeinige Fürstentum rekapitulieren musste. Alles klar, aber noch mal Danke, Frau Rowlings!
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Bearbeitet an St. Nikolaus 2003
(C) Norbert Korfmacher