22. 11. 2004
3. Plan und Pleite
Frau Gaedicke und ihr DDR-Feriendomizil an der Ostsee: Die Tür
öffnet sich, gibt den Blick frei auf ein opulentes Büffet - Bananen,
Orangen, Lachs und Kaviar. Und das in einem Land, in denen schon weniger
exklusive Lebensmittel unter dem Ladentisch als "Bückware" gehandelt
werden. Sie hat das große Los gezogen: einen Ferienplatz an der Ostsee
für zwei Wochen. Der Preis: 300 Mark alles eingeschlossen. Und das
nicht in einem bescheidenen FDGB-Heim, sondern im Hotel "Neptun", dem gerade
eröffneten DDR-Nobel-Hotel in Warnemünde. Luxus für Devisen,
so lautet hier eigentlich die Devise. Aber Erich Honecker setzt seit seinem
Machtantritt 1971 und dem 8. Parteitag auf Wohltaten fürs Volk. Die
besten Werktätigen sollen sich in den besten Hotels erholen! Einheit
von Wirtschafts- und Sozialpolitik, so heißt das im Jargon der SED-Oberen.
- Vorangetrieben wird in den 70-ern das Wohnungsbauprogramm. Auf der grünen
Wiese entstehen gigantische Plattenbausiedlungen mit Zentralheizung, fließend
Warmwasser und anderen Errungenschaften für das werktätige Volk.
Die Mieten sind niedrig, weil hoch subventioniert, dennoch ist eine Wohnung
in der "Platte" kaum zu kriegen, so etwas wie ein Sechser im Lotto. - Mangel.
Und Improvisation. "Markenzeichen" der DDR-Kommandowirtschaft. Am Anfang
war der Plan. Zum Beispiel der, den Mangel an Konsumgütern zu beseitigen.
Die sollen nun alle volkseigenen Betriebe herstellen. Das führt zu
grotesken Folgen. Das Rostocker Dieselmotorenwerk, ein gut funktionierendes
Unternehmen, übt sich plötzlich in der Produktion von Dosenöffnern.
Und pfiffige Mitarbeiter wie Eberhard Obst stecken viel Zeit und Energie
in ein Leichtmetallboot, das auf den Dächern von Trabi und Wartburg
in den Urlaub transportiert werden kann. "Ich bin dann von meiner Arbeit,
so gut es ging, entbunden worden, habe einen Schlosseranzug angezogen und
habe dann mit dem damaligen Leiter der Konsumgüterfertigung gebastelt."
Doch alles Geschick reicht nicht. Der Prototyp des Bootes kentert bei der
Probefahrt. - Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der DDR - ein nicht gedeckter
Scheck. "Die Bilanzen waren so weit hoch getrieben, dass keine Reserve
vorhanden war. Und uns war klar, dass der Ballon irgendwann einmal platzen
würde", erinnert sich Dieter Baumann. Er war jahrelang in der Braunkohle
tätig, und er muss erleben, wie zum Jahreswechsel 1978/79 das Land
in Schnee und Eis - und im Chaos - versinkt. Der Katastrophenwinter ist
sichtbares Zeichen dafür, dass der Ballon kurz davor ist zu platzen.
Weiter zur nächsten Episode
Zurück zur Episodenübersicht
Bearbeitet am 16. November 2004