Hitlers Manager

16. 11. 2004

1. Albert Speer - Der Aufrüster
Albert Speer, der Baumeister und Aufrüster, gab der braunen Ideologie Formen in Stein und Beton. Mitten im Krieg stieg er auf zum Manager der Rüstungswirtschaft. Hitlers Lieblingsarchitekt lieferte die Pläne für die Stätten zementierter Geltungssucht. Der Mentor war begeistert von der Arbeit seines Ziehsohnes, der für ihn die "Welthauptstadt Germania" errichten sollte. "Für einen großen Bau hätte ich wie Faust meine Seele verkauft", erinnerte sich Speer Jahrzehnte später. "Nun hatte ich meinen Mephisto gefunden." Speer und Hitler waren wie ein Liebespaar verbunden - in Visionen von gigantischer Architektur. Hätte Hitler einen Freund gehabt, erklärte Speer nach Kriegsende, so wäre er es gewesen. Fast alles, was er erbaute, ist im Feuersturm verbrannt. Was bleibt, sind wahnwitzige Pläne und Bilder - etwa von den Inszenierungen bei Nacht: dem legendären Lichtdom etwa, "meiner schönsten Raumschöpfung", wie Speer selbst meinte. Im Gefolge des Tyrannen erlebte Speer als junger Architekt einen rasanten Aufstieg. Nach dem mysteriösen Fugzeugabsturz des "Munitionsministers" Fritz Todt, ernannte ihn Hitler überraschend zum Nachfolger. Mit Speer, glaubte der Diktator, ein Organisationstalent und überdies "willfähriges Werkzeug" seiner eigenen Absichten zu besitzen. Speer versprach Hitler ein "Rüstungswunder" - und hielt Wort: auf Kosten Hunderttausender von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Ein neu entdecktes Schreiben Albert Speers an SS-Chef Himmler vom 2. September 1941 belegt einmal mehr, wie sehr Hitlers Aufrüster selbst in die Verbrechen des Regimes verstrickt war. Das Dokument beweist, dass das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass in erster Linie für Speers Belange errichtet wurde. Das SS-eigene Unternehmen "Deutsche Erd- und Steinwerke" (DEST) belieferte Speer seit 1938 mit Material für seine gigantischen Bauunternehmen. Als politischen Vollstrecker, gar als Überzeugungstäter sah sich Speer selbst jedoch nie. Zeit seines Lebens bestritt er, vom Holokaust gewusst zu haben. Zwar erkannte Speer im Nürnberger Prozess als einziger die "Gesamtverantwortung der Führenden" für die Verbrechen des Regimes an, sich selbst aber erklärte er für "nicht schuldig". Was von Speer bleibt, ist die Erinnerung an Hitlers obersten Manager, der mit seinen Fähigkeiten dazu beitrug, den Krieg zu verlängern, indem er die Wirtschaft seinem persönlichen Kommando unterstellte und als Rüstungsdiktator rücksichtslos für Effizienz und Produktionssteigerungen sorgte.
1966 wurde Albert Speer nach 20 Jahren Gefängnishaft in die Freiheit entlassen. Doch welche Strafe hätte Speer erwartet, hätten die Richter in Nürnberg schon gewusst, was heute bekannt ist? So aber startete er seine dritte Karriere: Als Person der Zeitgeschichte und Bestseller-Autor wurde er zu einem gefragten Interviewpartner in Sachen Hitler und NS-Zeit. Bis zu seinem Lebensende sollte es ihm nicht gelingen, sich aus dem Schatten des Mannes befreien, dem er als Architekt und Aufrüster gedient hatte - und als Mensch verfallen war: Adolf Hitler.

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Bearbeitet am 5. Januar 2005