Damals in der DDR

26. 9. 2005

6. D-Mark für alle
Frühjahr 1990. Der Schwarzgeldhandel blüht, vor allem in Berlin. Siegfried Wehrhoff ist Geldwechsler am Bahnhof Zoo. Einer von vielen, die das Geschäft mit den schwankenden Kursen zwischen harter D-Mark und weichem Aluchip illegal betreiben. "Im Endeffekt lag das Geld ja auf der Strasse, man durfte nicht zu faul sein, um es aufzuheben." Er verdient gutes Geld. Doch als eines Tages ein Westberliner Zahnarzt mit einem Koffer voller Ostgeld auftaucht, ahnt er, dass er nur ein ganz kleiner Fisch im großen Geschäft ist.
"Kommt die D-Mark nicht zu uns, gehen wir zu ihr!", so das Credo vieler Ostdeutscher im ersten Halbjahr 1990. Die Politik in Bonn muss handeln, sonst gibt es den totalen wirtschaftlichen und sozialen Kollaps zwischen Oder und Elbe. Während Volkswirte und Banker noch zögern, spricht Bundeskanzler Kohl plötzlich von einer Währungsunion. Die DDR-Bürger sind elektrisiert. Überall wird spekuliert und lamentiert - über den Umtauschkurs Ost gegen West.
Schon bevor die Geldlaster rollen, erkennen einige pfiffige DDR-Bürger, dass die D-Mark der Stoff ist, aus dem Unternehmer gemacht werden. Der Obsthändler Peter Vogt holt sich eine Genehmigung vom Rat des Bezirkes Erfurt, um Westgemüse für Westgeld noch vor der Währungsunion im Osten zu verkaufen. Sein Lada mit Anhänger ächzt unter der Last der Südfrüchte, mit denen Vogt jede Nacht über die Grenze fährt. Die Leute stehen Schlange vor dem Laden.
Im Westen herrscht Euphorie. Ein Absatzmarkt öffnet sich unverhofft. Jeder will dabei sein. Suiten und Zimmer in den Interhotels von Rostock bis Dresden sind ausgebucht. Es ist auch die Zeit der zwielichtigen Geschäftemacher. Zehntausende schrottreife Westautos rollen in den Osten, finden dort begeisterte Kunden und der Rubel rollt. Die Ossis sind zutiefst verunsichert. Von der Marktwirtschaft haben sie wenig Ahnung. Sie hamstern die letzten so genannten Konsumgüter der Planwirtschaft. Als die D-Mark da ist, erreicht im Sommer die Euphorie ihren Höhepunkt. Mit Volldampf in die Marktwirtschaft? Das kann nicht lange gut gehen.

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Bearbeitet am 18. Oktober 2005