Auf Leben und Tod - Sternstunden der Medizin

7. 11. 2005

3. Sichere Diagnosen
Die Todesursache Nummer Eins in modernen Gesellschaften ist hinlänglich bekannt: Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Herz ist eine Pumpe, die den Kreislauf antreibt. Dieser so simpel erscheinende Mechanismus wurde im Jahr 1615 von William Harvey entdeckt, Anatom und Leibarzt des englischen Königs. Jahrhunderte lang hatte man geglaubt, das Blut werde ständig neu von der Leber produziert. Erst Harvey wies nach, dass das Herz in der Manier einer Pumpe das Blut in einem großen Kreislauf zirkulieren lässt. Seine Erkenntnis hat wie kaum eine andere das Verständnis des menschlichen Körpers revolutioniert.
Harveys Einsichten führten fast dreihundert Jahre später zu einer bis heute eingesetzten Erfindung: "Wo gepumpt wird, entsteht auch Druck", sagte sich der Italiener Scipione Riva-Rocci. 1896 baute er den ersten Blutdruckmesser aus einem Fahrradschlauch, einem Gummiballon und einem Barometer. Noch heute wird der Blutdruck in "RR" gemessen - "RR" für "Riva-Rocci-Einheiten".
Lange vor der Entdeckung des Blutkreislaufs experimentierten Ärzte mit Bluttransfusionen. Doch fast immer endete die Übertragung mit dem Tod des Empfängers. Bis der Wiener Serologe Karl Landsteiner im Jahr 1901 die Blutgruppen entdeckte. Er löste das Rätsel der Agglutination, der tödlichen Verklumpung bei Blutübertragungen, und konnte so das "Russische Roulette" für die Empfänger von Blutspenden beenden.
Zu den lange Zeit gebräuchlichsten und gleichzeitig unangenehmsten Diagnoseverfahren zählt die Gastroskopie - die erstmals in einer Freiburger Weinstube stattfand. Der Internist Adolf Kussmaul engagierte dort 1868 einen Schwertschlucker, dem er statt eines Schwertes eine Röhre in den Magen schob. Damit war die Magenspiegelung erfunden, mit der man bis heute schmerzhafte Geschwüre aufspürt. Für die Entfernung von Magengeschwüren entwickelte der Wiener Chirurg Theodor Billroth 1881 eine geniale Operationsmethode. Fortan operierten Generationen von Chirurgen nach der Billroth-Methode, bis eine neue Erkenntnis den Eingriff in vielen Fällen überflüssig machte: Im Jahr 1979 entdeckten die australischen Ärzte Barry Marshall und Robin Warren ein Bakterium, das sie später "Helicobakter pylori" nannten. Im Selbstversuch wies Marshall nach, dass "Helicobakter pylori" Magengeschwüre verursacht. Seitdem reicht eine einwöchige Behandlung mit Antibiotika aus, um viele Patienten von ihren Magengeschwüren zu befreien.
Häufig führen geniale Einsichten, oftmals hartnäckiges Forschen zu medizinischen Fortschritten. Manchmal aber auch der bloße Zufall. Als der Brite Alexander Fleming 1928 von einem Urlaub in sein Labor zurückkehrte, stellte er fest, dass ein Schimmelpilz seine Kulturen aus tödlichen Bakterien vernichtet hatte. Fleming erkannte, dass der "Schimmelsaft" ein hochwirksames Antibiotikum ist, und er gab ihm den Namen "Penicillin". Erst Jahre später gelang die Massenproduktion des Wirkstoffs, doch von da an war der Siegeszug des Penicillins nicht mehr aufzuhalten.

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Bearbeitet am 30. Dezember 2005