27. 12. 2005
"Alle taten alles - vor den Augen aller."
Johann Burchard, Zeremonienmeister von Papst Alexander VI., Tagebucheintrag
vom 31. Oktober 1501
3. Die Geliebte des Papstes
Die Marmorstatue einer jungen Frau neben dem Hauptaltar im Petersdom
zu Rom, einer der heiligsten Stätten der Christenheit, birgt ein Geheimnis.
Einst war diese erotische Skulptur nackt und zog Besucher aus der ganzen
Welt an. Dann wurde sie mit einem Bleigewand verborgen. Noch heute fühlt
sich die katholische Kirche durch diese Statue kompromittiert, möchte
die skandalösen Spuren der eigenen Geschichte tilgen. Denn Julia Farnese,
deren Antlitz hier verewigt ist, hat ihr Bett mit einem Papst geteilt.
Ihr Schicksal führt in das Italien der Renaissance. "Die Zahl der
Huren und Zuhälter, die ungehindert durch den Sitz des heiligen Petrus
streifen, ist unendlich. Im Vergleich dazu sind die römischen Bordelle
Horte der Keuschheit", so ein zeitgenössischer Chronist. Dass selbst
der Papst eine Mätresse und zahlreiche Kinder mit ihr hat, wirft ein
grelles Licht auf jene Epoche, die Renaissance. Mit seiner Mätresse
Vannozza lebt Papst Alexander VI. nicht Ausschweifung und Sittenlosigkeit
aus, sondern etwas ihm ebenso Verbotenes: ein Familienleben. Vannozza ist
die Mutter seiner Kinder, darunter die heute noch berühmt-berüchtigten
Cesare und Lucrezia. Als die erotische Anziehungskraft Vannozzas für
den Papst schwindet, legt er sich eine neue Mätresse zu. Seine Wahl
fällt auf die beste Freundin seiner Tochter, Julia Farnese. In Rom
wird sie nur "Giulia Bella", die schöne Julia, genannt. Durch ihre
Intrigen beginnt der Aufstieg der Farnese von einem zweitrangigen Landadelsgeschlecht
zum mächtigsten und reichsten Roms. Um seiner schönen Geliebten
Julia zu gefallen, verhilft Alexander VI. ihrem Bruder Alessandro Farnese
zu einem steilen Aufstieg, macht ihn zum Kardinal. 1534 wird dieser selbst
Papst. Und ausgerechnet er macht den zügellosen Sitten der Zeit ein
Ende. Er gründet die römische Inquisition und leitet die Gegenreformation
ein.
Bearbeitet am 25. November 2006