14. 3. 2005
Regie: Klaus Dexel
3. Der Fall Raoul Wallenberg - Retter und Opfer
Am 7. Juli 1944 startet eine Maschine vom Flughafen Stockholm und bringt
den jungen schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg nach Berlin, von wo
er per Eisenbahn die Weiterreise nach Budapest antritt. Raoul Wallenberg
reist im Auftrag der schwedischen Regierung und des vom amerikanischen
Präsidenten Roosevelt gegründeten War Refugee Board nach Ungarn
mit dem Ziel, "so viele Menschenleben zu retten wie möglich...". Als
er in Budapest eintrifft, sind bereits über 400.000 Juden aus den
ungarischen Provinzen in die Vernichtungslager deportiert. Dasselbe Schicksal
erwartet die 200.000 Juden in Budapest. In nur sechs Monaten gelingt es
Raoul Wallenberg und seinen Helfern zehntausende von ihnen - auch unter
Einsatz des eigenen Lebens - vor der Vernichtung durch die SS und ihre
ungarischen Helfer zu bewahren. Der Dokumentarfilm erzählt auch von
der Jugendzeit Raouls und dem problematischen Verhältnis des Wallenberg-Clans
zu ihm. Familienmitglieder und erstmals auch Raouls damalige Geliebte Carolina
Christensen berichten. Seine Onkel Marcus und Jacob Wallenberg, Chefs des
bedeutendsten Wirtschaftsimperiums Schwedens, wollen ihrem Neffen keine
wesentliche Rolle bei den Geschäften des Konzerns zugestehen und versuchen,
ihn vom Unternehmen fernzuhalten. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges
unterhielten sie beste Beziehungen zu den Krieg führenden Parteien
- Marcus zu den West-Alliierten und nach Moskau, Jacob zur deutschen Naziführung
wie zum Widerstand um Carl Goerdeler - und lieferten kriegswichtige Güter
an die Alliierten und bis Ende 1944 auch an Nazi-Deutschland. Liegen in
diesen Konstellationen die Gründe für Raoul Wallenbergs Entführung
in die Sowjetunion am 17. Januar 1945 und sein Verschwinden in Stalins
Kerkern vor rund 60 Jahren?
Als im Januar 2001 die schwedisch-russische Untersuchungskommission
in Sachen Raoul Wallenberg ihren Abschlussbericht vorstellt, sind die neuen
Erkenntnisse Anlass, sich mit der Kamera in den Archiven und Gefängnissen
der ehemaligen UdSSR auf Spurensuche zu begeben. Dazu werden hohe Offizielle
der ehemaligen Nomenklatura und des Geheimdienstes KGB/FSB befragt, die
in die Untersuchungen um Raoul Wallenbergs Verschwinden involviert waren.
Im Kontext mit den Aussagen schwedischer Kommissionsmitglieder und erstmals
gefilmter Dokumente in den Archiven des russischen, vormals sowjetischen
Geheimdienstes, entsteht eine plausible filmische Argumentationslinie bis
zu Wallenbergs wahrscheinlicher Ermordung 1947, ohne die wichtigsten Theorien
eines Weiterlebens Raoul Wallenbergs in Gefängnissen oder psychiatrischen
Anstalten weit über 1947 hinaus außer Acht zu lassen. Als Stalins
persönlicher Gefangener war Raoul Wallenberg in jedem Fall eine Geisel
und eine Trumpfkarte im politischen und wirtschaftlichen Machtspiel zum
Ende des Zweiten Weltkrieges. - Und in jedem Fall eines der ersten Opfer
des beginnenden Kalten Krieges.
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Bearbeitet am 10. Mai 2005