Speer und Er

9. 5. 2005

1. Germania - Der Wahn
Teil 1 erzählt den Aufstieg und Fall des Architekten, der zu Hitlers Kriegsorganisator wurde und als Spitzentechnokrat die Dauer des Krieges wesentlich verlängerte. Die Geschichte des 'Dritten Reichs', beginnend an seinem Ende: Albert Speer sitzt in einer Nürnberger Gefängniszelle und wartet darauf, dass die Alliierten ihm den Prozess machen. In assoziativen Reminiszenzen zeigt Teil 1 den Architekten und Rüstungsminister Speer, der dabei ist, Bauten für ein 1000-jähriges Reich zu entwerfen und für seinen "Führer" Europa zu erobern. Er zeigt Speer von der Höhe der Macht bis zum tiefen Sturz in die Zelle von Nürnberg. Einen Mann, der am Ende seinen Freund Hitler verrät und die neue Persönlichkeit "Speer" inszeniert. Damit lässt sich überleben: Speer reklamiert die Verantwortung im Ganzen, will aber im Einzelnen nichts gewusst haben. Er malt einen sympathischen Künstler, der politisch ahnungslos ist und dieses Bild mit den passenden Mosaiksteinen aus dem Geröll der Geschichte stützt. Der junge Architekt Albert Speer sieht sich als Statthalter einer Jugend-Revolution. Er bedient Hitlers Sehnsucht nach geschichtlicher Größe und dekoriert seine maßlose Erlöserrolle mit opernhaft-gigantischen Bauvorhaben. Hitler wiederum gibt Speers Fantasien vom Bauen jedes nur denkbare Geld, gibt ihm Raum und Steine. Ohne Rücksicht darauf, ob Juden vertrieben und ermordet werden, ob Kriegsgefangene aus ganz Europa tödliche Sklavenarbeit verrichten müssen, arbeitet Speer an seinem perversen Traum von neuen Tempelstädten - den heiligen Bezirken des Nationalsozialismus. Die beiden Männer werden süchtig nach den Berlin-Modellen, die ihnen eine rauschhafte Zeitreise in eine triumphale Zukunft erlauben - GERMANIA ist das Sinnbild der neuen Stadt. Die sechs Speer-Kinder erleben eine märchenhafte Kindheit auf dem Obersalzberg an Hitlers "Hof", überschattet aber von der Abwesenheit des Vaters, der in der Ferne einen schrecklichen Krieg steuert. Die grausame Realität des Krieges allerdings liegt buchstäblich hinter den Bergen. Speers filmisches Porträt scheint auf in Pracht und Apokalypse - Speers machtvollste Momente als Rüstungsminister und die letzten Monate des 'Dritten Reichs'. Der Vater und der "Führer" - das seltsam verknüpfte Paar - sind für die Speer-Kinder wie Phantome. In eindringlichen Gesprächen, bei denen auch die unangenehmen Wahrheiten zur Sprache kommen, macht sich der Film mit ihnen auf die Reise in die Welt des Vaters: Ihr Bild des freundlichen Vaters, der dann und wann zu Besuch kommt, kollidiert dabei mit dem Bild eines machtbesessenen und gewalttätigen Reichsministers. Auf machtbeglänzten Höhen zeigt sich Speer als Hitlers sympathischer Architektenfreund, sodann als der mächtigste und einflussreichste (Rüstungs-) Minister bis hin zur Endzeit - seinem tiefen Fall und der Stunde der Wahrheit in der Nürnberger Zelle - der Aufmarsch der Opfer als Zeugen im Nürnberger Prozess und die Angst vor dem drohenden Tod durch den Strang.

Bild: ARD

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Bearbeitet am 29. Juni 2005