28. 10. 2008
Darsteller: Mickey Hardt (Heinrich IV.), Gabriel Spahiu (Papst Gregor
VII.)
Film von Friederike Haedecke
2. Heinrich und der Papst
Es ist der Moment der tiefsten Erniedrigung! Barfuß im Büßergewand
kniet der deutsche König Heinrich IV. im Schnee vor der Burg Canossa
und fleht um die Aufhebung des Kirchenbanns, den der Papst über ihn
verhängt hat. Vergibt der Papst ihm nicht, verliert Heinrich seine
Krone. Der "Gang nach Canossa" steht seit Jahrhunderten sprichwörtlich
für die schlimmste Selbsterniedrigung eines Kontra-henten in einer
Auseinandersetzung. Doch was geschah wirklich im bitterkalten Winter des
Jahres 1077? Hierfand eine Auseinandersetzung ihren Höhepunkt, die
die mittelalterliche Welt erschüttert hatte. Im so genannten "Investiturstreit"
stritten Papst Gregor und der deutsche König Heinrich um nichts Geringeres
als die beherrschende Machtposition in der christlichen Welt. Im Kern ging
es um die Frage, ob der Papst über dem Kaiser steht oder der Kaiser
über dem Papst. Als Heinrich ihm trotzig den Gehorsam verweigerte,
belegte ihn der Pontifex mit dem Bann, was einer faktischen Absetzung gleichkam.
Heinrich zahlte mit gleicher Münze heim und erkannte dem "falschen
Mönch", wie er den Papst nannte, die Amtsgewalt ab. Als sich die deutschen
Fürsten auf die Seite des Papstes schlugen und gegen ihn stellten,
musste der Salier-König einlenken. Durch Schnee und Eis begab er sich
über die Alpen und fiel vor dem Papst in Canossa auf die Knie. Hatte
so viel Demut das deutsche Königtum nicht beschädigt? Vielleicht
war es auch eine historische Tat, mit der Heinrich IV. sein "regnum teutonicum"
zusammenhielt. Womöglich hätte der deutsche Hochadel das einende
Band gelöst, falls der Monarch sich nicht unterworfen hätte.
Heinrichs Rechnung jedenfalls ging auf. Indem er sich selbst erniedrigt
hatte, rettete er seine Macht als deutscher König. Seinen Kontrahenten
unter den Fürsten, den "Gegenkönig" Rudolf von Rheinfelden, bezwang
er auf dem Schlachtfeld. Welche Folgen der Konflikt von weltlicher und
geistlicher Gewalt für die deutsche Geschichte hatte, dazu nehmen
prominente Historiker Stellung. - Computergrafisch wird das mittelalterliche
Speyer rekonstruiert. Frühere Ausgrabungen im Speyerer Dom, bei denen
Fotos vom Skelett Heinrichs IV. entstanden, ermöglichen Wissenschaftlern
heute Aufschlüsse über das Leben und Aussehen des Herrschers.
So sind die Spuren des "Reisekönigtums", der Regent-schaft aus dem
Sattel, deutlich erkennbar. Die mumifizierte Hand seines Gegenspielers
Rudolf von Rheinfelden ist ebenfalls erhalten. Sie ist das Relikt dramatischer
Ereignisse aus dem Jahr 1080. Denn die Quellen überliefern, dass ihm
die Schwurhand in der Schlacht gegen Heinrich abgeschlagen worden sei,
was den Salier auch als moralischen Sieger dastehen ließ. Die Hand
und ihre Geschichte wurde nun "durchleuchtet". Im Auftrag des ZDF führte
das Anthropologische Institut der Universität Mainz eine computertomografische
Untersuchung durch. Das Ergebnis überrascht: Schnittspuren am Handgelenk
belegen, dass die Abtrennung offenbar erst nach dem Tod Rudolfs erfolgte.
Alles sprichtfür einen "Propaganda"-Coup im Konflikt vor mehr als
neunhundert Jahren.
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Bearbeitet am 11. November 2008