4. 11. 2008
Darsteller: Georg Prang (Martin Luther)
Film von Friedrich Klütsch und Daniel Sich
4. Luther und die Nation
Zunächst war er nur ein einfacher Mönch, ein zweifelnder
und mit sich hadernder Theologe. Aus ihm wurde eine epochale Figur, die
wie kein anderer zuvor die Deutschen einte und spaltete - ohne dies zu
wollen. "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" lautete der Name,
den das Staatengebilde in der Mitte Europas seit dem späten 15. Jahrhundert
trug. Es war die Epoche des Habsburger Kaisers Karl V., der sich nach alter
Tradition als Herrscher von Gottes Gnaden und Verteidiger der christlichen
Einheit verstand. In seinem Reich gehe die Sonne nicht unter, sagte er
im Jahr 1521 selbst: es reichte von Lateinamerika über Mitteleuropa
bis zu den Philippinen. Die deutschen Territorien bildeten nur eines von
vielen Königtümern, hier verfochten mächtige Kurfürsten
ihre Eigeninteressen. Weltliche und geistliche Macht standen damals nach
wie vor auf den Fundamenten des römischen Christentums. Doch ob Fürsten
oder Stände, Bauern oder Bürger der Städte: Viele witterten
im Laufe der Reformation die Chance, auf Distanz zu Rom und dem Kaiser
zu gehen und ihre Stellung im Machtgefüge der Zeit zu verbessern.
Anders als der Habsburger Karl V., der nicht einmal der deutschen Sprache
mächtig war, entwickelte sich Luther zur Identifikationsfigur, wurde
ungemein populär. Der Reformator war einer der ersten wirkungsmächtigen
Zeitgenossen überhaupt, der explizit die deutsche Karte ausspielte
und an nationale Gefühle appellierte: "Wie kämen die Deutschen
dazu, sich die Räuberei und Schindereidurch Fremde gefallen zu lassen",
hieß es in einer Schrift. Luther übersetzte die Bibel ins Deutsche,
verbreitete damit Sprache und Wissen, legte auch dadurch ein Fundament
wachsender deutscher Identität. Die Menschen sollten in den Genuss
kommen, "dass man deutsch mit ihnen redet". Der religiöse mündete
in den militärischen Konflikt. Um Frieden herzustellen, wurde entschieden,
dass sich jeder Landesherr selbst für oder gegen die Reformation entscheiden
konnte: "Cuius regio, eius religio" lautete die spätere Formel. Nach
dem Augsburger Religionsfrieden 1555 war die Unabhängigkeit der Fürsten
gestärkt. Die Deutschen blieben im Glauben gespalten. - Der Film richtet
den Fokus auf die politische Figur Luther. Szenische Rekonstruktionen wie
der Einzug Luthers in Worms, sein historischer Auftritt vor dem Reichstag,
zum Machtkampf zwischen dem katholischen Kaiser und den protestantischen
Fürsten vermitteln Einblicke in diese entscheidende Phase deutscher
Geschichte.
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Bearbeitet am 11. November 2008