16. 11. 2008
Darsteller: Adrian Vancica (Napoleon), Hansjürgen Hürrig (Freiherr
vom Stein)
Film von Stefan Brauburger
7. Napoleon und die Deutschen
Ausgerechnet ein fremder Kaiser, Frankreichs Jahrhundertherrscher Napoleon,
katapultierte die Deutschen durch Eroberungen und Reformen in ihr nationales
Zeitalter. Kein anderer zuvor hatte mehr dazu beigetragen, dass die Deutschen
zueinander fanden, auch wenn dies geschah, um Napoleon selbst los zu werden.
Was ihm gelang, hatte niemand zuvor erreicht - ein historisches Paradoxon:
die politische Erweckung der "deutschen Nation". - Am Anfang stand der
Untergang. Das alte römisch-deutsche Reich war nach dem Siebenjährigen
Krieg durch die Machterweiterung der Einzelstaaten weithin ausgehöhlt.
Deutschland war ein kultureller, ein geografischer, aber kaum mehr ein
politischer Begriff. Dann kam die Zeitenwende: die Revolution in Frankreich1789
und schließlich Napoleon. Der Eroberer wühlte ganz Europa auf,
veränderte die Landkarte, erzwang die Abdankung des Habsburgers Franz
II. als römisch-deutschen Kaiser und gab dem alten Reich den Todesstoß.
Bonaparte sorgte, im Verbund mit deutschen Fürsten, die er für
sich gewinnen konnte, für eine gründliche Flurbereinigung auf
deutschem Boden. Unter seinem Druck wurden aus vielen Teilstaaten wenige.
Er schaffte sich 1806 mit dem so genannten "Rheinbund" ein deutsches Protektorat
- unterAusschluss Preußens und Österreichs. In den deutschen
Staaten fanden grundlegende Reformen statt, mit und gegen Napoleon: Nur
wenn das Volk sich mit dem Staat identifiziere, sei dieser in der Lage,
sich, auch militärisch, zu behaupten, so dachten Männer wie der
Freiherr vom Stein, einer der prominentesten "preußischen Reformer"
und der Antagonist Napoleons auf deutschem Boden. Stein und andere wollten
durch mehr Freiheit und Mitbestimmung Kräfte wecken, aus Untertanen
patriotische Bürgermachen, aus Berufssoldaten eine Volksarmee, die
Bonaparte die Stirn bieten sollte. Der Korse selbst hatte den Deutschen
vor Augen geführt, was ein Staat bewirken kann, wenn das Volk hinter
ihm steht. - Der Freiherr vom Stein war ein entscheidender Gegenspieler
Napoleons und wird als solcher erstmals in einem Film dargestellt. Seine
große Stunde schlug, als sich Bonaparte im Juni 1812 in sein größtes
militärisches Abenteuer stürzte. Der französische Kaiser
marschierte mit 600 000 Soldaten in Russland ein. Mehr als ein Drittel
seiner Truppen waren Deutsche. Doch führte der Drang zur Weltmacht
in die militärische Katastrophe. In den Befreiungskriegen gegen Napoleon
entstand auf deutschem Boden ein neues Wir-Gefühl. Immer mehr Deutsche
entdeckten sich als eine durch Kultur, Sprache und Geschichte verbundene
Nation, die künftig unter ein Dach gehöre. Demütigungen
durch Napoleon hatten eine nationale Stimmung provoziert, die mancherorts
auch in derbe nationalistische Agitation umschlug. Die "Völkerschlacht"
bei Leipzig 1813 war der Anfang vom Ende. Mit "Waterloo" war Napoleons
Schicksal besiegelt. Auf dem Wiener Kongress wurde über die Zukunft
Deutschlands und Europas entschieden. Träumten manche deutsche Bürger
seit den Befreiungskriegen von der nationalen Einheit, kam es nun lediglich
zu einem lockeren Zusammenschluss von 35 souveränen Fürsten und
vier freien Städten. Die Monarchen hatten das Sagen im so genannten
"Deutschen Bund" von 1815. - Doch war es möglich,das Rad der Geschichte
anzuhalten? Dafür hatte sich zu viel in den vergangenen zwei Jahrzehnten
verändert. Besonders das deutsche Staatensystem ging aus der Napoleonzeit
verjüngt und modernisiert hervor. Deutschland hatte nun einen festeren
Zusammenhalt in den vergrößerten Einzelstaaten. Die Grundlagen
des modernen Staates als Rechtsstaat waren, vor allem unter französischem
Einfluss, vielfältig geschaffen worden. Alle Kräfte, die die
weitere Entwicklung in Deutschland beeinflussen sollten, nationale und
liberale, waren in Bewegung geraten. Ihr Ziel hieß: Freiheit und
Einheit.
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Bearbeitet am 27. November 2008