23. 11. 2008
Darsteller: Vlad Radescu (Bismarck), Constantin Draganescu (Wilhelm
I.)
Film von Friedrich Scherer
9. Bismarck und das Deutsche Reich
Nach der Revolution von 1848, dem vergeblichen Versuch einer "Einheit
von unten", kam es nun zur "Einheit von oben". Preußens Ministerpräsident
Otto von Bismarck ebnete den Weg zum ersten deutschen Nationalstaat. "Nicht
durch Reden und Majoritätsbeschlüsse würden die großen
Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Blut und Eisen", hatte der eigensinnige
Politiker einst formuliert, doch einen konkreten Plan zur deutschen Einigung
hatte Bismarck nicht: "Erreicht Deutschland sein nationales Zielnoch im
19. Jahrhundert, so erscheint mir das als etwas Großes, und wäre
es in zehn oder gar fünfzehn Jahren, so wäre das etwas Außerordentliches,
ein unverhofftes Gnadengeschenk von Gott", sagte er drei Jahre vor der
Staatsgründung 1871. Die deutsche Einigung war somit alles andere
als vorherbestimmt, wie preußische Historiker später glauben
machen wollten. Zudem hatte die "Nation" für Bismarck keinen Selbstwert,
sie diente ihm vor allem als Vehikel zur Mehrung der Macht Preußens
und auch der eigenen. Im Jahr 1866 wurde ein Pistolen-Attentat auf ihn
verübt, der Student Ferdinand Cohen-Blind traf Bismarck mit zwei Kugeln.
Wäre Bismarck damals gestorben, so Historiker, hätte dies den
weiteren Verlauf der Geschichte entscheidend verändern können.
- Mehr als ein Jahrhundert lang hatte der Dualismus Preußen-Österreich
die Politik bestimmt. 1866 kam es zum Bruderkrieg. In der Schlacht von
Königgrätz siegte überraschend Preußen dank der Eisenbahn
und eines besseren Gewehrs, Österreich wurde damit förmlich aus
der deutschen Geschichte gedrängt. Der Norddeutsche Bund von 1866,
unter preußischer Führung, war die Vorstufe zum geeinten Deutschland
wenige Jahre später, die südlichen Länder wie Bayern, Baden
und Württemberg blieben zunächst außen vor. Das änderte
sich mit dem Krieg gegen Frankreich 1870. Der gemeinsame Gegner schmiedete
die Deutschen zusammen. Im Januar 1871 hob Bismarck im Schloss von Versailles
den preußisch-deutschen Nationalstaat aus der Taufe. Die nationale
Hochstimmung der Bevölkerung mag sogar den Staatsgründer selbst
überrascht haben. Gerade die öffentliche Meinung hat einen derartigen
Druck auf die Kabinette der süddeutschen Staaten ausgeübt, dass
der Zusammenschluss mit dem Norddeutschen Bund geradezu alternativlos erschien.
Das von Bismarck geschaffene Reich war das erste geeinte Deutschland, aber
es war ein Fürstenbund. Nicht das Volk war der Souverän, die
Reichs-Regierung wurde nicht vom Parlament gewählt. Würde auf
die äußere auch die innere Einheit folgen? Der Kulturkampf und
die Sozialistengesetze Bismarcks spalteten die Gesellschaft. National gestimmte
Publizisten und Verbände sowie Vertreter der boomenden Wirtschaft
forderten koloniale Expansion, stießen damit auf Vorbehalte des Kanzlers.
Aus der Sicht des erfahrenen Staatsmanns und Diplomaten sollte das Reich
sich selbst genügen. Er dachte in den Dimensionen des europäischen
Gleichgewichts. Für ihn war Deutschland "saturiert", gerade groß
genug, um - neben Frankreich - nicht noch andere Gegner auf den Plan zu
rufen. Seine Bündnispolitik ist ein Paradebeispiel für den Umgang
mit der sensiblen deutschen Mittellage. Doch sollte es bald allzu viele
Stimmen geben, die meinten, Deutschland müsse unbedingt Weltmacht
sein.
Bismarck musste wohl porträtiert werden. Sein Lebensmotto fehlte hier: "Ich bin ein preußischer Junker und will meine Vorteile davon haben." Der Satz reicht, um seine Politik zu charakterisieren. Egoismus als Staatsräson!
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Bearbeitet am 27. November 2008