25. 11. 2008
Darsteller: Udo Schenk (Wilhelm II.), Benjamin Morik (Philipp Scheidemann)
Film von Ricarda Schlosshan
10. Wilhelm und die Welt
"Zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe
ich Euch entgegen", verkündete der junge Hohenzollern-Kaiser Wilhelm
II. 1892 - zu Beginn der Epoche, die später nach ihm benannt wurde.
Er entpuppte sich als prunksüchtiger Monarch, selbstverliebt und betont
forsch. Für die Mehrheit des deutschen Bürgertums aber wurde
er zum Sinnbild eigenen Strebens nach Glanz und Größe. Der Liberale
Friedrich Naumann meinte gar: "Dieser Kaiser, über den ihr euch aufregt,
ist euer Spiegelbild!" DieFassade von Pickelhauben und Paraden war symptomatisch
für die "verspätete Nation". Der Pomp überspielte vieles.
Die "innere" Einigung Deutschlands war ins Stocken geraten, der junge Staat
blieb in sich gespalten. Alte territoriale wie konfessionelle Gegensätze
boten Konfliktstoff, im industriellen Aufschwung taten sich tiefe soziale
Gräben auf. Der Reichstag, allen voran die stark anwachsende Sozialdemokratie,
forderte mit der Zeit ein Ende des "persönlichen Regiments" Wilhelms
II. Der Kaiser beschimpfte die Partei der Linken als "Vaterlandslose Gesellen".
Allerdings reklamierten auch SPD-Abgeordnete wie Philipp Scheidemann das
deutsche Vaterland für sich: Durch die Politik des Monarchen sei der
Bestand, die Einheit und der Frieden des Reiches gefährdet, sagte
er. In dem Werdegang des prominenten Sozialdemokraten und des letzten deutschen
Kaisers spiegelte sich vieles, was die Deutschen damals einte und trennte.
Erstmals werden die gegensätzlichen Rollen und Charaktere, die Wilhelms
II. und Scheidemanns, in einem Film dargestellt.
Wilhelm II. verfolgt andere Visionen als der Gründungskanzler
Bismarck. Dieser hatte der Welt vor Augen führen wollen, dass sich
der neu gegründete Staat friedlich in das Konzert der Mächte
einfügen konnte. Der junge Hohenzoller aber wollte Kaiser einer Weltmacht
sein, die mit den anderen Großmächten mithalten konnte. Am deutschen
Wesen, hieß es in nationalistischen Kreisen, solle die Welt genesen,
notfalls unter militärischem Druck. So bildete sich ein internationales
Bündnis gegen Wilhelms Reich. Deutschland fühlte sich von seinen
Nachbarn eingekreist. Tatsächlich kreiste es sich allmählich
aus. Die Mächte in Europa rechneten mit dem großen Schlagabtausch,
und sie verhinderten ihn nicht, als der Kontinent der Katastrophe entgegen
taumelte. Der Kaiser und die Opposition schlossen im Angesicht des Krieges
"Burgfrieden", vorläufig. Der Erste Weltkrieg wurde zum ersten industriellen
Vernichtungskrieg, zur Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Der mörderische
Grabenkampf, vor allem an der Westfront, übertraf an Grausamkeit,
an menschlicher Verrohung selbst die schlimmsten Ahnungen. Hier wuchs die
Saat für eine Zeit, in der der Mensch nur noch als Material galt.
1918 war das deutsche Heer am Ende, und selbst die Generäle hatten
das begriffen. Eingestehen wollten sie es freilich nicht - zumindest nicht
vor der Nation. Wilhelm II. weigerte sich abzudanken. Erst der Druck der
Straße vermochte das Kaisertum zu beseitigen. "Das deutsche Volk
hat auf der ganzen Linie gesiegt. Das Alte und Morsche, die Monarchie ist
zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die deutsche Republik!", rief
am 9. November 1918 der SPD-Fraktionsvorsitzende Philipp Scheidemann aus.
Die erste Demokratie auf deutschem Boden entstand, doch die Bürden
der
Vergangenheit wogen schwer. - Nach dem Krieg drängten einige Nachbarn
auf eine Niederhaltung Deutschlands, es wurde mit seinen Verbündeten
zum Kriegsschuldigen erklärt. Nicht der deutsche Kaiser und seine
Militärs, die den Krieg geführt hatten, sondern Vertreter der
jungen Weimarer Demokratie waren gezwungen, den Versailler Vertrag zu unterschreiben.
Das diskreditierte die gerade erst gegründete deutsche Republik in
den Augen vieler. Deutschland sollte nach dem Krieg für 70 Jahre nicht
zur Ruhe kommen.
Udo Schenk war als Kaiser sehenswert. - Nach zwei Jahren wurde die Reihe wegen ihres Erfolges fortgesetzt.
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Bearbeitet am 27. November 2008 & 29. April 2011