Damals nach der DDR

20. 9. 2010

2. Aufbruch und Abschied
Anfang des Jahres 1990 ist das Ende der DDR bereits absehbar, auch die alles beherrschende SED kann daran wenig ändern - die Partei, die bisher alle Fäden in der Hand hielt, hat ihre Führungsrolle verloren. Millionen Mitglieder sind orientierungslos. So geht es auch Heidrun Kruse, die nördlich von Berlin seit sieben Jahren als Pionierleiterin in der „Pionierrepublik Wilhelm Pieck" tätig ist. Bisher hat sie in ihrem Traumberuf Freizeitangebote ebenso wie politische Schulungen organisiert, doch wie bei vielen SED-Genossen macht sich nun Ratlosigkeit in ihr breit. Ihre Partei, die jahrzehntelang die Macht für sich beansprucht hatte, weiß plötzlich selbst keinen Rat mehr und auch Kruse, deren Job am seidenen Faden hängt, spürt erstmals Existenzangst. Der Austritt aus der Partei erscheint ihr schließlich als letzter Ausweg. - Unterdessen sehnen sich die DDR-Bürger nach Dingen, die sie jahrelang entbehren mussten. Sie reisen in den Westen, konsumieren bislang unbekannte Waren und haben ein Verlangen nach freien Informationen. Jahrelang bekamen sie von den staatsnahen DDR-Medien nur gefilterte Nachrichten geboten, nun soll sich das schnellstmöglich ändern. Doch westliche Presseprodukte sind anfangs noch verboten. Für den niedersächsischen Unternehmer Dirk Rossmann ist das jedoch kein Hindernis, er möchte trotzdem seinen Teil dazu beitragen, seine Landesnachbarn mit freier Presse zu versorgen. Mit 20.000 Exemplaren des Spiegel-Magazins im Gepäck macht er sich auf den Weg nach Leipzig, die Grenzkontrollen umgeht er mit einem Trick. In der sächsischen Großstadt bekommt er dann den ungezügelten Durst der Einwohner auf unabhängige Informationen am eigenen Leib zu spüren. Die Mitbringsel werden ihm förmlich aus den Händen gerissen. - Ähnlich ergeht es Margot Friedrich in Eisenach, die weder auf vergleichbare Lieferungen aus dem Westen noch auf die Reformation der DDR-Presse zu warten gewillt ist, sondern selbst journalistisch aktiv wird: Sie gründet ein unabhängiges Blatt mit dem Namen „Die andere Zeitung". Zunächst in Eigenregie, später unter Mithilfe von Gleichgesinnten versorgt sie ihre Mitmenschen mit interessanten Berichten über das aktuelle Geschehen. Auf journalistische Konventionen nimmt sie dabei wenig Rücksicht. Eines ihrer ersten Themen behandelt die ersten freien Wahlen in der DDR. Diese offenbaren, was die Bevölkerung mehrheitlich will: ein einheitliches Deutschland auf demokratischer Basis. - Der erste große Schritt zu einem vereinten Land soll mit der Einführung der D-Mark im Osten getan werden. Während der kurzen, aber intensiven Vorbereitungen für die deutsch-deutsche Währungsunion muss das Referat „Innerdeutsche Beziehungen" des Bundesfinanzministeriums unter der Leitung von Thilo Sarrazin jede Menge Fragen klären. Allen voran, welcher Umtauschkurs schließlich zugrunde gelegt werden soll. „Nur eine Umstellung 1:1 konnte in Frage kommen", erinnert sich Sarrazin. Als die DDR-Bürger letztlich am 1. Juli die Banken stürmen und das begehrte Westgeld in Empfang nehmen, denkt noch keiner an die Schattenseiten. Ausgestattet mit der harten Währung beginnt ein Ansturm auf die Kaufhäuser - aus denen jedoch nach und nach die Ost-Produkte verschwinden. Margot Siedow, die bereits seit 28 Jahren bei einem Eishersteller in Leipzig arbeitet, bekommt diese Entwicklung zu spüren: Die Nachfrage nach dem in der DDR begehrten Eis am Stiel sinkt rapide, es droht das Ende der Produktion.

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Bearbeitet am 28. Oktober 2010