27. 9. 2010
3. Flitterwochen und Rosenkrieg
Am 3. Oktober 1990 ist es so weit: Die Menschen bejubeln die lang ersehnte
deutsche Wiedervereinigung, ein großer Festakt in Berlin würdigt
die friedliche Revolution. Es herrscht Silvesterstimmung mitten im Herbst,
doch bei vielen Ostdeutschen vermischen sich die positiven Gedanken mit
einer gehörigen Portion Skepsis. Es folgen die mühsame Umgestaltung
eines Landes nach dem Vorbild der Bundesrepublik und ein schlagartiger
Wandel der Lebensverhältnisse von Millionen von Menschen. Tausende
von Westdeutschen wollen ihre neuen Landsleute unterstützen und an
einer erfolgreichen Umsetzung der Einheit partizipieren. Sie werden als
Fachleute in Ministerien, Behörden und in der Wirtschaft dringend
beim Aufbau Ost gebraucht. Manche lockt das Geld, andere die neue Herausforderung.
- Einer der damaligen Aufbauhelfer ist Bernd Capellen, der kurz nach der
Wiedervereinigung nach Halle an der Saale kommt. Im Auftrag der Treuhandanstalt
soll er ehemalige DDR-Betriebe für den Weltmarkt fit machen. Ihn erwartet
eine gewaltige Aufgabe, deren tatsächliches Ausmaß sich für
den Rheinländer erst nach und nach erschließt. Schnell stellt
er fest, dass die meisten ostdeutschen Betriebe wegen veralteter Produktionsbedingungen
und Absatzschwierigkeiten entweder schon insolvent oder kurz davor sind.
Als Treuhandmitarbeiter muss er deshalb oft schmerzhafte Entscheidungen
treffen, die unter den Menschen seiner Wahlheimat große Unzufriedenheit
auslösen. Schon bald lassen die Betroffenen ihrem Ärger freien
Lauf, auch Capellen bekommt dies zu spüren. - Auch die Filmfabrik
ORWO im Sachsen-Anhaltinischen Wolfen muss die schmerzhafte Erfahrung machen,
dass die dramatischen technologischen Rückstände nicht aufzuholen
sind und eine fast hundertjährige Tradition mit der Abwicklung durch
die Treuhand beendet wird. Unter den Angestellten befindet sich auch Karla
König, die bereits seit 1952 im Unternehmen beschäftigt ist und
bislang für die Lehrlingsausbildung verantwortlich war. Sie verliert
nicht nur ihren Arbeitgeber, sondern auch ihren Lebensmittelpunkt und teilt
fortan mit vielen Bewohnern der Stadt das unbefriedigende Gefühl,
nicht mehr gebraucht zu werden. Bald gibt es für sie jedoch neue Hoffnung:
König bekommt die Aufgabe, Studenten durch die ehemalige Filmfabrik
zu führen. - Aufgrund der zunehmenden Massenarbeitslosigkeit sehen
viele Ostdeutsche ihre Hoffnungen enttäuscht, doch auch im Westen
der Republik schlägt die Stimmung zunehmend um. Besonders die Einführung
des „Solidaritätszuschlags" für den Aufbau Ost zum 1. Juli '91
für alle Bundesbürger ist vielen ein Dorn im Auge und belastet
die innerdeutschen Beziehungen. Die Mauer zwischen Ost und West: in den
Köpfen bleibt sie noch bestehen. Auch das Mecklenburgische Dorf Passee
bekommt dies deutlich zu spüren, als Oberbürgermeister Adolf
Wittek unerwarteten Besuch aus dem Westen bekommt: Ein Makler aus Bad Schwartau
stellt sich bei ihm als der neue Besitzer des Gemeindehauses vor und verlangt
fortan Miete für das von den Bewohnern in gemeinnütziger Arbeit
errichtete Gebäude, das Konsum, Post und Bürgermeisterbüro,
beherbergt. Der Bürgermeister reagiert wütend und der Fall kommt
vor Gericht. Wie in vielen vergleichbaren Fällen müssen die Besitzverhältnisse
geklärt werden - oftmals ohne Erfolg für die bisherigen Nutzer.
Wittek entschließt sich zu einem Schritt, der ihn weit über
sein Dorf hinaus für viele zu einem Helden macht.
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Bearbeitet am 28. Oktober 2010