Die Manns - Ein Jahrhundertroman

17. 12. 2001

1. Teil
Teil 1 spielt in den Jahren 1923 bis 1933. Der Lübecker Kaufmannssohn Thomas Mann hat es mit seinem Familienroman "Die Buddenbrooks" und seiner Meisternovelle "Der Tod in Venedig" zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Mit seiner Ehefrau Katia, deren Familie Pringsheim zu den reichsten Münchner Familien gehört, hat er sechs Kinder.
Katia ist die Seele des großen Haushalts. Sie lenkt den Tageslauf und sorgt für Ruhe und Disziplin, wenn "Thommy" nach strenger Selbstordnung in seinem Arbeitszimmer Tag um Tag fremde Welten und unerhörte Leidenschaften niederschreibt. "Der Zauberberg" ist in Arbeit, ein Menschheitsroman über die abgeschlossene Welt einer Schweizer Lungenklinik. "Draußen" wachsen die Kinder heran, experimentieren - besonders die Ältesten, Klaus und Erika - mit der Liebe; "draußen" ist Inflation - und Katia sorgt dennoch für einen reibungslos funktionierenden Haushalt. Thomas Mann ist in sich gekehrt, aber aus der Distanz beobachtet er seine Familie genau.
Das hoch begabte Geschwisterpaar Klaus und Erika geht bald eigene Wege, stürzt sich ins Leben und in die Kunst. Sie entziehen sich der übermächtigen Persönlichkeit ihres Vaters und leben zuerst in Hamburg, dann in Berlin. An den Hamburger Kammerspielen wird Klaus' Drama "Anja und Esther" uraufgeführt. Gemeinsam mit Pamela Wedekind und Gustaf Gründgens sorgen die begabten Dichterkinder für Schlagzeilen in der Klatschpresse. Auch ihre privaten Beziehungen erscheinen verwirrend: Klaus und Gustaf, Pamela und Erika - wer mit wem? Schließlich heiraten Erika und Gustaf und geben dem Ganzen den erwünschten bürgerlichen Deckmantel. Doch die Hochzeit, im großen Familienkreis zelebriert, ist für das Brautpaar ein "halber Jux". Nach einem knappen Jahr zerbricht die Ehe. Gemeinsam mit Schwester Erika begibt sich Klaus auf eine halbjährige Lesereise durch die Vereinigten Staaten. Mondän und ungezwungen im Auftritt, genießen die "Mann-Twins" die Zeit völliger Unabhängigkeit als Befreiung von der Familie.
Von 1928 an lebt Klaus Mann vorwiegend in Berlin und schreibt dort Zeitgeistartikel über das moderne Großstadtleben und seine ausgeprägte Sehnsucht nach einem europäischen Weltbürgertum. Er experimentiert mit Drogen, stürzt sich in das Berliner Nachtleben und hat wechselnde Affären mit jungen Männern.
Anders als sein Sohn Klaus diszipliniert und sublimiert der Vater seine Liebe zu jungen schönen Männern. Er widersteht der Verführung und gewinnt dadurch ein starkes Motiv für seine Arbeit. Dennoch befällt ihn immer wieder jener Zauber, der auch sein heimliches Lebensthema ist. Als Thomas Mann während eines Sommerurlaubs auf Sylt 1927 dem 17-jährigen Klaus Heuser begegnet, wirft ihn die unverhoffte Leidenschaft fast aus der Bahn -, und nur Ehefrau Katia ahnt und toleriert diese ergreifende, ungelebte Liebesgeschichte. Thomas lädt Klaus Heuser auf einen Besuch nach München ein. Dort nähert er sich ihm einmal - nicht nur im Traum...
Thomas Manns älterer Bruder Heinrich ist ebenfalls Schriftsteller. Vor allem der Roman "Der Untertan" ist ein großer Erfolg. Das Verhältnis der beiden Brüder ist voller politischer und privater Spannungen. Anders als Thomas ist Heinrich ein bekennender Sozialist und Europäer; anders als der lebensferne Thomas genießt Heinrich derbe, volkstümliche Frauen, die von den Manns kopfschüttelnd "Heinrich-Bräute" genannt werden.
Seit 1928 lebt Heinrich mehr und mehr in Berlin, getrennt von Frau und Tochter. Dort sind bald die Vorbereitungen für die Verfilmung seines Romans "Professor Unrat" in vollem Gang. Für die Figur der Rosa Fröhlich favorisiert Heinrich seine Geliebte, die Chansonniére Trude Hesterberg, aber Regisseur Josef von Sternberg besetzt die Rolle der Lola mit der unbekannten Marlene Dietrich. Nach außen distinguiert und reserviert, verkehrt Heinrich regelmäßig in Berliner Kabaretts und Eckkneipen und lebt ganz dem Augenblick. So lernt er die ebenfalls aus seiner norddeutschen Heimat stammende Amüsierdame Nelly Kröger kennen; die beiden verlieben sich ineinander. Für die Familie ist die Liaison mit der drallen, vollbusigen Schönheit, die dem alternden Schriftsteller Vorbild für eine seiner großen Frauenfiguren in seinem Meisterwerk "Henri Quatre" wird, ein Skandal.
Die wachsende Präsenz der Nationalsozialisten verändert die Situation aller Familienmitglieder. Während einer Rede im Oktober 1930 in Berlin wird Thomas Mann von in Smokings verkleideten SA-Leuten ausgebuht. Für Thomas Mann ist das eine beklemmende Situation, weil er noch im November 1929 bei der Verleihung des Nobelpreises die deutsche Kulturnation mit großen Worten beschworen hatte. Das politische Klima wird kämpferischer - Katia Mann spürt es. Für Klaus und Erika allerdings gehen ihre Lebensexperimente, die auch Drogenexperimente sind, vor; die Realität bricht ein, als sich der engste Jugendfreund, der jüdische Maler Ricki Hallgarten, erschießt. Golo, der scheue Bruder, nimmt die Nazis sehenden Auges wahr - er ist der Realist in der Familie.
Im Februar 1933 tritt Thomas Mann mit seiner Frau Katia eine Lesereise an, von der er niemals wieder nach München zurückkehren sollte. Nach ihrer Abreise geben die Mann-Kinder ein Faschingsfest, auf dem die Bohéme den Erfolg des Kabaretts "Die Pfeffermühle" feiert - eine Unternehmung von Erika Mann und ihrer Freundin, der Schauspielerin Therese Giehse. Auf dem Fest sind auch die herangewachsene Elisabeth und ihr unberechenbarer Bruder Michael, der stets ernste Golo und die vereinsamte Monika. Eine merkwürdige Stimmung herrscht in den großbürgerlichen Räumen - etwas geht zu Ende, und im Souterrain rüstet sich bereits der Fahrer für den Sieg der Nazis.
Heinrich Mann, der sich an kommunistischen Agitationsveranstaltungen und Gewerkschaftskongressen beteiligt hat, steht bei den Nazis auf der schwarzen Liste; er setzt sich drei Wochen nach der endgültigen Machtergreifung in den Zug nach Paris - ohne großes Gepäck, ohne Rückfahrschein. Seine geliebte Nelly lässt er am Anhalter Bahnhof zurück.

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Bearbeitet am 19. Februar 2002