Mätressen - Die geheime Macht der Frauen

26. 12. 2005

"Küsse den Arm, den du nicht brechen kannst. Und bete zu Gott, dass Er ihn bricht." (Arabisches Sprichwort)

2. Die Geliebte des Sultans
Der prächtige Sultanspalast von Istanbul - der Topkapi Serail - thront noch heute über den Ufern des Bosporus. In der Mitte des 16. Jahrhunderts ist er das Zentrum des mächtigsten Reichs der Erde. Im innersten Teil des Palastes befindet sich mit dem Harem der am strengsten bewachte Ort des Reiches, den von 800 afrikanischen Eunuchen abgesehen nur ein Mann betreten darf: "Gottes Schatten auf Erden" - der Sultan Süleyman der Prächtige. Mangel gibt es in Süleymans Reich nicht, schon gar nicht an schönen Frauen. Hunderte sind jahrelang dafür ausgebildet worden, um vom ihm als eine seiner vielen Konkubinen erwählt zu werden. Der Weg dieser jungen Sklavinnen nach oben führt immer durch das Bett des Sultans. Mit welcher seiner Frauen der mächtigste Herrscher seiner Zeit, der die Türken bis vor Wien geführt hat, die Nacht verbringt, bestimmen strikte Regeln, gegen die selbst der Sultan nichts ausrichten kann. Doch die ukrainische Sklavin Roxelana bringt dieses fest gefügte System durcheinander. Sie ist weniger schön als die anderen Frauen, aber sie fasziniert den Sultan mit ihrer Klugheit, ihrer Raffinesse und ihrer Leidenschaft. Sie bringt Süleyman dazu, die Gesetze des Harems zu brechen und nur noch mit ihr zu verkehren. Die erste Favoritin des Sultans, Mahidevran, ist darüber so wütend, dass sie ihrer Konkurrentin das Gesicht zerkratzt. Doch selbst die Narben ändern nichts daran, dass der Sultan mit Roxelana schließlich sogar eine monogame Ehe führt. Er liebt Roxelana, weil sie wie er etwas von Kunst versteht und Gedichte schreibt - und weil sie dem Herrscher nicht demütig, sondern selbstbewusst entgegen tritt und ihn mit Ratschlägen versorgt. So einflussreich ist Roxelana, dass der Sultan auf ihre Intrigen hin seinen engsten Berater, den Großwesir, und schließlich sogar seinen ältesten, mit Mahidevran gezeugten Sohn Mustafa als angeblichen Verschwörer hinrichten lässt. Als Roxelana 1558 stirbt, hat sie für ihren eigenen Sohn den Weg frei gemacht. Doch anders als sein Vater erweist sich Selim, mit dem bezeichnenden Beinamen "der Säufer", als schwach und regierungsunfähig. Die europäische Sicht des Harems ist von Klischeebildern bestimmt. Orientalische Frauen werden ausschließlich als passive, auf ihre laszive Ausstrahlung reduzierte Nymphen dargestellt. In Wahrheit kommt es, eingeleitet von Roxelana, zu einem in der islamischen Welt einzigartigen Vorgang: Haremssklavinnen erlangten ein Jahrhundert lang die Herrschaft über das Osmanische Reich. Während des "Sultanats der Frauen" wird hinter den Mauern des Harems in Istanbul Weltgeschichte geschrieben. Erst 1909 wird der Herrscherharem endgültig aufgelöst, dem noch ungefähr 500 Sklavinnen angehören. Sie beenden ihr Leben als tragische Jahrmarksattraktionen in Westeuropa.

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Bearbeitet am 25. November 2006