20. 11. 2007
2. Wende des Krieges
"Es wurde uns eingebläut, ihr seid die besten Soldaten der Welt
- und nach dem Sieg über Polen und Frankreich glaubten wir selber,
wir sind die Besten der Welt", so Hans-Erdmann Schönbeck, einst Panzersoldat
der Wehrmacht. Im Krieg gegen die Sowjetunion entpuppte sich dieser Glaube
als trügerische Illusion. Viele hohe Militärs der Wehrmacht behaupteten
nach der Niederlage 1945, sie hätten vor dem Angriff auf die Sowjetunion
gewarnt, "das könne ja nicht gut gehen". Doch von Anfang an hatte
Hitler ihnen gegenüber den Vernichtungskrieg um Lebensraum im Osten
verfochten, ohne nennenswerten Widerspruch. Für Historiker sind die
Indizien eindeutig: "Die Quellen machen deutlich, dass dieser Krieg in
Russland auch und gerade der Krieg der deutschenGeneralität gewesen
ist", so Sönke Neitzel, der in den vergangenen Jahren eine große
Zahl bislang unbekannter Dokumente ausgewertet hat. Während viele
Generäle mit Überzeugung einen Eroberungskrieg führten,
ließen sich viele Soldaten von der NS-Propaganda blenden, die Wehrmacht
sei mit einem Präventivschlag einem Angriff der Sowjetunion zuvorgekommen.
Der deutsche Vormarsch der ersten Wochen nach dem Überfall am 22.
Juni 1941 brachte die Rote Armee an den Rand des Zusammenbruchs. In gewaltigen
Kesselschlachten gerieten Millionen sowjetische Soldaten in Gefangenschaft,
fielen der Wehrmacht Unmengen russischen Kriegsmaterials in die Hände.
Die allermeisten Staaten hätten in einer derartigen Lage kapituliert",
sagt der britische Historiker Richard Overy. "Was Hitler jedoch falsch
eingeschätzt hatte, war die Tatsache, dass das sowjetische Volk und
das sowjetische Regime einfach nicht aufgeben wollten." Im Herbst 1941
kam die Wende - noch vor Beginn des Angriffs auf Moskau. Die Schwächen
der Wehrmacht wurden offenbar. Nach dem Scheitern vor Moskau entmündigte
Hitler höchste Militärs und stempelte sie zu Sündenböcken
für die von ihm verschuldeten Niederlagen. Nur wenige Militärs,
wie etwa General Walther von Seydlitz-Kurzbach in Stalingrad, weigerten
sich, unsinnige Befehle auszuführen. Die Wehrmacht geriet in der Folge
immer mehr zur willfährigen Armee Hitlers. Der Kriegsherr propagierte,
dass es nur ein Siegen oder Untergehen gebe: "Wenn das deutsche Volk einmal
nicht mehr starkund opferbereit genug ist, sein eigenes Blut für seine
Existenz einzusetzen, so soll es vergehen und von einer anderen stärkeren
Macht vernichtet werden." Aus dem Angriffskrieg wurde ein selbst provozierter
Überlebenskampf. Und Hitler nahm die Wehrmacht in eine geradezu selbst
zerstörerische Pflicht.
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Bearbeitet am 29. Dezember 2007