Liebe ist Liebe
Sex ist Sex!
Münsters CSD am 15. Juni 2013
Zum fünften Mal sammelten sich Münsters Schwule, Lesben und andere "Andersartige" ganz artig in der Stadt, um für ihre Rechte einzutreten und den Unartigen in der westfälischen Metropole zu zeigen, dass es "uns" auch gibt. Zum fünften Mal? Nun ja, zum fünften Mal versammelte man sich unter dem Namen CSD in der Stadt. Selbstverständlich wussten Schwule & Lesben sich auch schon in den neunziger Jahren in der Bischofsstadt geschickt in Szene zu setzen, nur gibt es Gründe, diese Tradition unter den Teppich zu kehren.

In den letzten Jahren fand der CSD am Aasee statt. Schön für mich, weil ich dort wohne und folglich nicht weit laufen musste; schlecht für die schwullesbische Sache, weil die Szene praktisch unter sich blieb; ganz schlecht für die gefiederten Freunde am Aasee, die durch die bunten Vögel gestört wurden. Durch das beherzte Eingreifen Markus Lewes, Münsters Oberbürgermeister, wurden die Piepmätze dem Stress durch eine solche Veranstaltung nicht mehr ausgesetzt. Nachdem im Frühjahr publik geworden war, dass Münsters schrillste Bannerträgerin sexueller Anders-Artigkeit, Petra, der schwarze Schwan, unterhaltungssüchtig und temporär in ein Tretboot verliebt, ausgerechnet in Osnabrück dauerhaftes Asyl gefunden hat, wurden Münsters schwule Vögel in den Rathaus-Innenhof verfrachtet. Dort störten sie Tauben und Heteros in ihrer Beschaulichkeit. Genau dort wollten die Homos der Stadt auch hin, denn dort steht man im Mittelpunkt und erreicht, wen man erreichen will, Tauben inclusive.

2012 hatte man es versemmelt, an den vierzigsten Jahrestag der ersten schwulen Demo in Deutschland mit einer politischen Demonstration zu erinnern. Dies holte man in diesem Jahr nach. Gut, 41 Jahre später, ist kein Jubiläum, aber da die Queersumme von 41 die 5 ist, kommt man auf eine leidlich gute Zahl, die zum fünften CSD passt. Wer wird schon kleinlich sein, zumal man 2002 auch nicht groß an ein solches Ereignis erinnern mochte (Oder doch? Ach, wer weiß das schon? Und wer will's wissen?). In diesem Jahr demonstrierte man eben mal vor dem alten Rathaus der Stadt.

Wir haben allen Grund zur Demonstration. Nach wie vor sieht die rechtliche Situation der Schwulen & Lesben im sich vereinigenden Europa bedenklich aus, auch wenn sich in Deutschland die Gerichte scheinbar für die Schwulen & Lesben einsetzen. Zum besonderen Knackpunkt für die Homo-Szene hat sich die Gleichberechtigung der eingetragenen Partnerschaft mit der Ehe entwickelt. Zuletzt erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass das Ehegattensplitting auch für die Homo-Ehe gilt. Dies jedoch nicht etwa, weil man "uns" in Karlsruhe besonders lieb hat, sondern weil man in der Homo-Ehe die gleichen Pflichten hat wie in der Hetero-Ehe; da musste man Schwulen & Lesben auch die gleichen Rechte einräumen. Irgendwie logisch: gleiche Pflichten, gleiche Rechte. Dass sich die Szene mehr denn je an heterosexuellen Lebensweisen orientiert, will mir nicht einleuchten, aber Tatsache ist, dass dies für die Mehrheit zum Gradmesser für Emanzipation geworden ist. Also müssen wir diesen Kram durchziehen.

Die Realitäten sehe ich anders. Staunend nahm ich zur Kenntnis, dass man im Umfeld des Bischofs von Rom über ein "schwules Netzwerk" in der römisch-katholischen Kirche schwadroniert. Ein schwules Netzwerk ... Boah ey, was bedeutet das? Da sitzen alte Männer im Vatikan, die schwul sind. Das dürften viele sein in dem Haufen. Ich hatte hier in Münster viel Spaß mit Theologen. Ich bin mittlerweile 51 Jahre jung, die Männer, die in Rom angekommen sind, sind wohl älter. Was macht dieses Netzwerk in Rom? Auf diese Frage gab es in den Presseartikeln keine Antworten. Ob sich diese alten Männer in ihren bunten Kleidchen für Selbstverständlichkeiten einsetzen wie dem Recht auf eigene Sexualität, auf selbstbestimmtes Leben, für Meinungsfreiheit? Man weiß es nicht, aber man ahnt, dass sie sich dafür nicht einsetzen. Vielleicht ist das Netzwerk gar nicht so groß oder die Herren setzen sich für andere Werte ein als sie die schwullesbische Szene gemeinhin vertritt. Was auch immer, eines ist klar geworden: in Rom nutzt man die Schwulen immer noch gerne als Sündenböcke. Man hat der eigenen schwulen Klientel unter den "Geistlichen" eigentlich nichts vorzuwerfen, aber man nutzt die Vorurteile über Schwule im klerikal-konservativen Mief vortrefflich, um von eigenen Fehlern und Schwächen abzulenken. Da trifft es sich gut, dass der neue Papst, ein Jesuit im Gehabe der Bettelmönche (!), keine roten Schühchen mehr trägt, also einen gaaaaaanz anderen Stil nach Außen transportiert. Nur die Inhalte haben sich nicht geändert. Diesen Männern können wir nicht imponieren, indem wir heterosexuelle Lebensformen übernehmen.

Nachdem nun auch ich hier über allerlei schwadroniert habe, sei der Blick auf den 5. CSD in Münster gestattet. Das Happening war rundum toll. Der Rathaus-Innenhof war rappelvoll, viele Stände, viele Besucher. Von den Ratsparteien waren die Piraten, die Freidemokraten, die Sozialdemokraten und die Grünen mit einem Stand vertreten. Auch die Kultur kam nicht zu kurz. Ein Poetry Slam wurde auf der Bühne durchgezogen, wenn ich mich nicht verzählt habe mühten sich vier Frauen und ein Jüngling mit ihren Texten um die Gunst des Volkes. Der junge Mann erinnerte mich mit seinem Text an verflossene Sehnsüchte, die auch ich vor Jahrzehnten nach meinem Abitur zu formulieren wusste; wie tief ich gesunken bin, zeigt dieser Text.

Der Historiker in mir wurde auch mit der Vergänglichkeit konfrontiert. Die Welt ändert sich, Dinge kommen, Dinge gehen. Zu den Dingen, die über uns gekommen sind, gehört die CSD-Fahne, über die ich schon im letzten Jahr vortrefflich gelästert habe. In der Zeit sozialer Netzwerke im Netz, die schwulen Netzwerkern ihre Arbeit erleichtern, verschwindet bald Gayweb. Das Internetportal stand an den Anfängen der schwulen und lesbischen Szene im WWW. Dort vernetzten wir uns zuerst. Mit viel Engagement und Einsatz haben die Macher Informationen gesammelt und aufbereitet. Das ist bald vorbei. Die zwei Macher, die die Arbeit für Münster erledigten, sahen durchaus nicht traurig aus. Sie haben ihre Sache sehr gut gemacht und werden nun in die Freiheit entlassen. Wer dankt ihnen von Münsters schwullesbischer Szene für fast zwei Jahrzehnte Einsatz? Am Ende bleibt es an Wolfgang kleben, der sich im letzten Herbst entschlossen hat, in das, was vom selbsternannten Schwulenzentrum übrig ist nach sechs Jahren selbstverschuldeter heßlicher Herrschaft, zurückzukehren. Wolfgang erfreute das Volk mit Kaffee und Kuchen. Was uns zeigt, dass Heteros und Homos am Ende doch nur auf Völlerei achten. Am Ende siegt der volle Bauch!

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Bearbeitet am 22. Juni 2013

(C) Norbert Korfmacher, Münster