Die harte Schule der 50er Jahre
Doku-Soap
ZDF

Sprecher: Sky du Mont
 
1.  19. 5. 2005
2. 26. 5. 2005
3. 02. 6. 2005
4. 09. 6. 2005

Kritik: Das ZDF ist nicht gerade für Innovation im deutschen Fernsehen bekannt. Auch diese "Doku-Soap" (ein grässliches Wort) ist natürlich von der Idee her abgekupfert. Hier gilt: besser gut geklaut als selbst schlecht erfunden. Dieser Vierteiler bot Unterhaltung pur! Was passiert, wenn man Schüler und Lehrer nach den Regeln der fünfziger Jahre agieren lässt? Für die heutigen Jugendlichen war das eine harte Schule, denn sie mussten nicht nur auf die Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts verzichten, sondern wurden auch noch mit den Unanehmlichkeiten der fünfziger Jahre traktiert. Das Erschreckende war für mich, mit welcher Leichtigkeit die Lehrer von heute als "Herrschende" in die "Herrlichkeit" dieser Zeit verfielen und ihre Machtposition zelebrierten. Ganz zum Schluss bot der Direktor der Anstalt ein schönes Beispiel dafür, denn er bestrafte die Jungs noch am letzten Tag, weil sie am Abend zuvor zu lange ihren Abschied gefeiert hatten. Mehr noch: ein Schüler, der fröhlich lächelte, musste sich beim Strafappell umdrehen. Weil das noch nicht reichte, setze der Leerkörper noch eins drauf, denn die Herrschaften (und die LehrerInnen natürlich auch) wussten ihre pädagogischen Maßnahmen aus der guten, alten Zeit mit wohlklingenden Worten zu begründen. Da war die Rede vom fehlenden Respekt, womit natürlich der fehlende Respekt der Schüler vor den Lehrern gemeint war, nicht der fehlende Respekt dieser Lehrer vor ihren Zöglingen. Selbstreflektion über ihr Treiben war bei diesen Pädagogen nicht zu sehen und nicht zu hören. Ob's der Regisseur rausgeschnitten hat? Das will ich diesen Erwachsenen wünschen! Gleichwohl bin ich aus dem Lachen kaum herausgekommen. Geduldig ließen die Schüler den Unfug der Vergangenheit mehr oder weniger über sich ergehen, paukten und lebten nach Bedingungen aus Adenauers Zeiten. Alle wurden in eine Uniform gezwängt, mancher "Tuckenhaarschnitt" der jungen Männer fiel dem Elektrorasierer zum "Opfer", so dass viele besser aussahen als vorher. Bei den Mädchen bewirkte der Verzicht auf individuelles Aussehen die gewollte Uniformität, denn die Dicken sahen nur wenig anders aus als die Schlanken (und da ich bekennender Schwuler bin, wird hier niemand von mir erwarten, dass ich das Aussehen der jungen Frauen in die eine oder andere Richtung bewerte). Die Schülerin Saskia wehrte sich in der zweiten Episode energisch und tränenreich gegen den verordneten Stumpfsinn, es half nichts. Florian blieb in der Gegenwart und warf ein Auge auf Jennifer, was undenkbar war in einem Internat der fünfziger Jahre. Überhaupt: Koedukation von 'Jungs und Mädels'? Wo gab's und gibt's denn so etwas? Und das noch unter dem Bild des Kanzlers (vermutlich hing ein Bild Adenauers damals so wenig in einer Schule wie heute das Bild Schröders, aber als Gag war das brillant). Dass einige Schüler am Ende der straffen Lehr- und Lernmethode etwas abgewinnen konnten, sei hier vermerkt und verwundert nicht bei einer Generation, die noch von Alt-68ern im Unterricht live gequält wurde und noch wird. Abgerundet wurden die Bilder von Sky du Mont, der mit wohlwollender Ironie in der Stimme das Geschehen kommentierte. Gerade seine Stimme war bitter nötig und machte diese "Doku-Soap" zu einem echten TV-Erlebnis, von denen das ZDF in dieser Zeit eher wenige hat. - Zum Schluss noch dies. Das Thema 50er Jahre ist schon lange angesagt. Weshalb macht man nicht eine Unterhaltungsserie über die fünfziger Jahre mit ihrem Mief, der Verlogenheit, der sexuellen Prüderie, der Gewalt und und und? Der Stoff liegt auf der Straße, aber es bückt sich keiner. (Ja, ich weiß, nichts ist peinlicher als gute Vorschläge von Kritikern, die in ihrem Sessel sitzen und in klugen Sätze schreiben, was wie zu geschehen hat.)

Persönliche Bemerkung: Meine besondere Anerkennung gilt dem "Schulversager" Florian Frowein. Die Abschlussklausuren hat er versemmelt, aber er hat den Zuschauern bewiesen, dass es sinnvoller ist, auch in einer "Doku-Soap" mit offenen Augen durch das Leben zu gehen, mal die Finger zu kreuzen und vor allem die wirklich wichtigen Dinge nicht aus den Augen zu verlieren. In seinem Fall war das ein Mädchen. Glückwunsch Florian!

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Bearbeitet am 17. Juni 2005